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ADHS-Diagnose und Begleitung beim Kind: Ein klarer Fahrplan für Eltern
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ADHS ist keine Krankheit, sondern eine andere Art zu denken. Entscheidend ist, Ihr Kind gezielt zu begleiten, statt es «anzupassen». Hier erfahren Sie, wie das gelingt.
Die Diagnose einer "Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)" bzw. Neurodiversität kann für Eltern gleichermassen eine Erleichterung wie auch Herausforderung sein. Entscheidend ist, das Kind gezielt zu begleiten, indem seine individuellen Stärken gefördert werden. Zudem sollten Strategien zur selbständigen Bewältigung seiner Herausforderungen vermittelt werden, statt das Kind "abzurunden" und "anzupassen". Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie konkret vorgehen können.
1. Diagnose verstehen und einordnen
Frühe Diagnosen erleichtern gezielte Unterstützung. Denn eine späte Erkennung kann bereits Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen nach sich ziehen. Die Diagnostik erfolgt durch Kinder- und Jugendpsychiater sowie spezialisierte Psychologen. Wichtige Verfahren dabei sind:
- Anamnesegespräche mit Eltern und Lehrern
- Fragebögen zur Symptom-Erfassung
- Verhaltensbeobachtung im Alltag
- Ausschluss anderer Ursachen (z. B. Seh- oder Hörprobleme)
2. Multimodale Begleitung statt starrer Therapie
ADHS ist keine Krankheit, sondern eine besondere Art zu denken – vergleichbar mit einer anderen Betriebssystem-Logik des Gehirns, die kreative Problemlösungen und unkonventionelles Denken begünstigen kann. Ziel ist darum auch nicht die "Normalisierung", sondern das Fördern und Einsetzen von Begabungen – und der konstruktive, friedliche Umgang mit "Problemen". Wesentliche Bausteine sind:
- Psychoedukation: Wissen vermittelt Akzeptanz
- Verhaltenstherapie & Coaching: Alltagsstrategien entwickeln
- Elterncoaching & Lehrerfortbildung: Umfeld sensibilisieren
- Medikamentöse Behandlung: Wenn nötig, oft bei mittlerer/schwerer ADHS
- Behandlung von Begleiterkrankungen: Zum Bsp. Angststörung/Depression
3. Psychoedukation: Verstehen statt Verzweifeln
Das Verständnis für ADHS ist der erste Schritt zu einem leichteren und für alle Beteiligten angenehmeren Alltag.
Ziele:
- Akzeptanz der eigenen ADHS-Denkweise
- Erkennen individueller ADHS-Stärken
- Reduktion von ADHS-typischen Selbstzweifeln
Wer sollte informiert sein?
- Das Kind selbst: Um sich nicht als "falsch" zu empfinden
- Eltern und Geschwister: Um Missverständnisse zu vermeiden
- Lehrkräfte: Um den Schulalltag für das Kind passend zu gestalten
4. Therapieformen: Welche Angebote kommen in Frage?
Jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse. Die Wahl der Massnahmen richtet sich also nach individuellen Bedürfnissen. Die bekanntesten Ansätze sind:
4.1 Verhaltenstherapie
- Entwicklung hilfreicher Routinen
- Verbesserung der Impulskontrolle
- Erkennen und Verändern von problematischem Verhalten
4.2 Ergotherapie
- Verbesserung der Feinmotorik
- Konzentrations- und Wahrnehmungsschulung
- Stärkung der Selbstregulation
4.3 Heilpädagogik
- Soziale und emotionale Fähigkeiten fördern
- Spezielle Förderung bei zusätzlichem Bedarf
4.4 Neurofeedback
- Training zur besseren Hirnaktivierung
- Verbesserung von Konzentration und Impulskontrolle
4.5 Elterncoaching
- Anpassung des Erziehungsstils
- Reduktion von familiärem Stress
- Konfliktbewältigung
4.6 Coaching für Kinder und Jugendliche
- Selbstorganisation verbessern
- Schulische Herausforderungen meistern
- Selbstbewusstsein stärken
5. Selbstreflexion: Die eigene ADHS verstehen
Kinder mit ADHS profitieren besonders davon, sich selbst zu hinterfragen, da sie durch Selbstreflexion ihre individuellen Stärken erkennen und passende Bewältigungsstrategien entwickeln können. Zudem lernen sie gerne spielerisch, furchtlos und schrittweise (sogenannt "iterativ"). Das ist im Übrigen auch für Neurotypische die wohl beste Vorgehensweise.
Nützliche Fragen für das Kind:
- Wann bin ich besonders konzentriert?
- Welche Strategien helfen mir wirklich?
- Welche grossen Herausforderungen habe ich oft?
6. Medikation: Sinnvoll oder nicht?
Medikamente können helfen, sind aber kein Muss. Sie werden vor allem empfohlen, wenn das Kind im Alltag stark beeinträchtigt ist und andere Massnahmen nicht ausreichen, um Konzentration, Impulskontrolle oder emotionale Regulation zu verbessern. Dann können sie erheblich Leidensdruck vom ADHS-betroffenen Kind wegnehmen.
Schweregrade der ADHS:
- Leicht: Verhaltenstherapie & Coaching
- Mittel: Mögliche Kombo aus Therapie & Medikation. Oder eines von beidem
- Schwer: Medikamente meist notwendig, zusätzliche Massnahmen erforderlich
Häufig eingesetzte Medikamente:
- Stimulanzien (Methylphenidat, Amphetamine)
- Nicht-Stimulanzien (Atomoxetin, Guanfacin)
Die Einnahme sollte stets durch einen Facharzt überwacht werden. Ebenso die Dosis, die nach Bedarf gegen oben oder unten korrigiert werden kann.
7. Begleiterkrankungen: ADHS kommt selten allein
ADHS tritt oft mit anderen Störungen auf – ganze 60–80 % der Betroffenen haben mindestens eine weitere psychische Begleiterkrankung. Zu den häufigsten Begleiterkrankungen gehören:
- Angststörungen
- Depressionen
- Tic-Störungen
- Schlafprobleme
Eine ganzheitliche Behandlung ist darum essenziell. Medikamente lösen keine Probleme, sie lindern Symptome.
8. Fazit: ADHS als Chance begreifen
ADHS ist keine Krankheit, sondern eine besondere Art zu denken, fühlen und handeln. Die richtige Begleitung hilft nicht nur, Herausforderungen zu bewältigen. Sie ermöglicht auch, ggf. schlummernde Potenziale des ADHS-Kindes zu entfalten.
Wichtigste Punkte:
- Akzeptanz und Verständnis stehen an erster Stelle
- Individuelle Massnahmen sind entscheidend
- Ein unterstützendes Umfeld macht den Unterschied
Kinder mit ADHS können ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen – wenn sie die richtige Unterstützung erhalten.
9. Häufig gestellte Fragen (FAQ)
1. Kann sich ADHS im Erwachsenenalter verändern?
Ja, die Symptome können sich im Laufe des Lebens noch wandeln. Während Impulsivität und Hyperaktivität oft abnehmen, bleiben Herausforderungen bei Organisation und Konzentration häufig bestehen. Warum Erwachsene ADHSler oft weniger wild oder unkonzentriert sind? Weil sie eben (notgedrungen) lernen mussten, sich anzupassen. Das ist jedoch mit erheblichem Energieaufwand oder auch chronischem Stress verbunden.
2. Gibt es spezielle Fördermassnahmen für ADHS-Kinder in der Schule?
Ja, viele Schulen bieten Nachteilsausgleiche wie verlängerte Bearbeitungszeiten, strukturierte Tagespläne oder alternative Prüfungsformen an. Zudem stehen Schulpsychologinnen und Heilpädagogen (natürlich m/f) zur Verfügung. Eine enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften ist wichtig. Eltern tragen dabei eine entscheidende Verantwortung. Sie stellen das Familiensystem dar, in dem ihr Kind heranwächst.
3. Wie können Eltern ihr ADHS-Kind im Alltag am besten unterstützen?
Durch klare Routinen, verständnisvolle Kommunikation und das Schaffen einer reizarmen, strukturierten Lernumgebung, bzw. genug Stimulation/Ruhepausen (abwechselnd) während des Alltags. Geduld und positive Verstärkung helfen, das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken. Die wichtigste Ingredienz ist LIEBE, die nicht an Bedingungen geknüpft wird. Zudem Grenzen, die das Kind begreift und respektiert (weil sie auch konsequent genug gezogen werden).
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