ADHS wächst sich kaum je aus, bei Männern wie Frauen nicht. Es wird nur überkompensiert, was psychische Belastung bedeutet. Eine Liste der wichtigsten Aspekte, mit denen Betroffene zu kämpfen haben.
Konzentrationsprobleme, Ablenkbarkeit
Konzentrationsprobleme und Ablenkbarkeit sind Kernsymptome von ADHS. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe zu richten oder diese über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Selbst minimale Ablenkungen können dazu führen, dass der Fokus verloren geht. Dies kann sich in verschiedenen Lebensbereichen, wie der Arbeit, beim Lernen oder in sozialen Situationen, negativ auswirken. Es ist nicht nur das Problem, mit einer Aufgabe zu beginnen, sondern auch das Durchhalten bis zum Abschluss, das betroffenen Personen schwerfällt.
Fehlende Tagesplanung
Menschen mit ADHS fällt es oft schwer, ihren Tag effektiv zu planen und zu strukturieren. Ohne eine klare Tagesplanung oder To-Do-Liste können sie sich verloren fühlen in dem, was zuerst angegangen werden soll – was oft zu einem Gefühl der Überwältigung führt. Die Schwierigkeit, Prioritäten zu setzen und Aufgaben systematisch anzugehen, kann bedeuten, dass wichtige Termine und Verpflichtungen übersehen oder ignoriert werden. Eine strukturierte Tagesplanung mit festgelegten Zielen kann helfen, doch die Erstellung und Befolgung solcher Pläne stellt bei ADHS eine grosse Herausforderung dar.
«Verzetteln», Unfähigkeit, Prioritäten zu setzen
Das «Verzetteln» und die Unfähigkeit, Prioritäten zu setzen, sind typische Probleme für Menschen mit ADHS. Sie nehmen sich oft zu viele Aufgaben gleichzeitig vor, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, welche Aufgabe die dringendste oder wichtigste ist. Dies führt zu einer ineffizienten Arbeitsweise, bei der wichtige Aufgaben liegen bleiben und weniger wichtige unnötig viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Schwierigkeit, Prioritäten zu erkennen und zu setzen, resultiert in erhöhtem Stress und dem Gefühl, ständig hinter den Anforderungen herzulaufen.
Chaos im Kopf
Menschen mit ADHS beschreiben oft ein «Chaos im Kopf», ein Gefühl, als würden Gedanken ungeordnet und ohne erkennbare Struktur kreisen. Diese interne Unordnung erschwert es, Entscheidungen zu treffen und Pendenzen effektiv abzuarbeiten. Es ist, als ob der geistige «Innenraum» ständig überfüllt wäre, was es schwierig macht, bei nur einer Sache zu bleiben. Das Chaos im Kopf kann zu Stress führen und fällt anderen Menschen als Träumerei bzw. Abwesenheit auf.
Innere Unruhe und Getriebensein
Die innere Unruhe und das Gefühl des Getriebenseins sind zentrale Aspekte von ADHS, die über die rein körperliche Hyperaktivität hinausgehen. Betroffene fühlen sich oft innerlich angespannt und unruhig, selbst in Momenten der Entspannung. Diese ständige innere Unruhe kann es schwierig machen, genug Ruhe zu finden. Das Getriebensein führt dazu, dass Betroffene ständig nach Stimulierung suchen oder das Bedürfnis haben, in Bewegung zu sein, was die Konzentration auf sitzende Tätigkeiten erschwert. Die innere Unruhe kann zudem Schlafprobleme verstärken, was die Symptome von ADHS weiter verschärft (Dopaminmangel).
Ständig in Bewegung, häufige Änderung der Körperhaltung
Ständiges Bewegen ist ein auffälliges Merkmal bei vielen Menschen mit ADHS (besonders hyperaktiver Typ). Es äussert sich in unwillkürlichen Bewegungen, wie mit den Fingern trommeln, mit den Füssen wippen oder häufigen Änderungen der Körperhaltung. Diese physischen Manifestationen der inneren Unruhe dienen oft als unbewusste Versuche, die ständige Suche nach sensorischer oder physischer Stimulation zu befriedigen. Sie können in Situationen, die Ruhe und Stillstand erfordern - wie im Klassenzimmer, bei der Arbeit oder in sozialen Zusammenkünften - als störend empfunden und von anderen missverstanden werden ("will weg, hat kein Interesse").
Sich schnell angegriffen fühlen
Menschen mit ADHS neigen dazu, emotional sensibler auf Kritik oder vermeintliche Ablehnung zu reagieren. Sie können Kommentare oder Verhaltensweisen anderer schnell als persönlichen Angriff oder Zurückweisung interpretieren, selbst wenn diese nicht so gemeint waren. Diese erhöhte Empfindlichkeit kann aus Schwierigkeiten resultieren, soziale Signale korrekt zu deuten - oder aus einem geringeren Selbstwertgefühl (häufige Kritik von aussen). Das führt oft zu Missverständnissen und Spannungen in Beziehungen, da Betroffene auf wahrgenommene Angriffe reagieren, die andere vielleicht nicht beabsichtigt haben.
Sehr schnell und heftig emotional aufgewühlt sein
Eine weitere Herausforderung für Menschen mit ADHS ist die Tendenz, emotional zu überreagieren. Sie können auf Situationen mit unverhältnismässig starken Reaktionen antworten, sei es Freude, Wut, Traurigkeit oder Frustration. Diese intensiven Emotionen können plötzlich auftreten und sind oft schwer zu kontrollieren. Solche Überreaktionen können das zwischenmenschliche Verhältnis beeinträchtigen und es für die Betroffenen schwierig machen, mit emotional belastenden Situationen umzugehen. Dieses Merkmal kann zu einer Quelle von Konflikten werden und die Fähigkeit zur Problemlösung beeinträchtigen.
Handeln, ohne über die Folgen nachzudenken
Das impulsive Handeln ohne Berücksichtigung möglicher Konsequenzen ist ein markantes Symptom von ADHS. Diese Impulsivität kann sich in riskantem Verhalten äussern, wie z.B. einer gefährlichen Fahrweise, die nicht nur die Betroffenen, sondern auch andere gefährdet - od. in ungeschütztem Sex etc. Personen mit ADHS kämpfen oft mit der Selbstregulation, was bedeutet, dass der Impuls zu handeln die überlegte Entscheidungsfindung übersteuert. Dies kann zu Situationen führen, die kurzfristige Befriedigung oder Erleichterung versprechen, langfristig jedoch negative Auswirkungen haben - persönlich wie beruflich.
Häufige und starke Stimmungsschwankungen
Menschen mit ADHS erleben oft abrupte und intensive Schwankungen ihrer emotionalen Zustände. Diese schnellen Wechsel von Gefühlen können die Interaktion mit anderen erschweren und leisten Missverständnissen Vorschub. Die Betroffenen empfinden diese Schwankungen selbst als belastend und schwer kontrollierbar, was das tägliche Leben und die sozialen Beziehungen erschwert. Solche emotionalen Turbulenzen können auch die Konzentration und Leistungsfähigkeit in Beruf oder Schule negativ beeinflussen.
Haltestelle bzw. Zug, Bus verpassen
Das Verpassen von Verkehrsmitteln wie Bussen und Zügen kann ein Symptom der allgemeinen Unachtsamkeit und Ablenkbarkeit sein, die bei ADHS auftreten. Die Tendenz, sich in Gedanken oder anderen Aktivitäten zu verlieren und dadurch wichtige Anschlüsse zu verpassen, spiegelt die Schwierigkeiten wider, die Betroffene mit der Zeitwahrnehmung und dem Zeitmanagement bekunden. Verspätungen, verpasste Termine oder sogar berufliche und soziale Komplikationen sind die Folge.
Depressive Stimmungs-Einbrüche mit Resignation
Depressive Verstimmungen sind bei ADHS nicht ungewöhnlich. Diese können sich in Phasen tiefer Traurigkeit, Gefühlen der Minderwertigkeit, Aussichtslosigkeit und Resignation manifestieren. Solche Episoden können durch anhaltende Schwierigkeiten, die mit ADHS einhergehen, verstärkt werden – insbesondere, wenn Erfahrungen des Scheiterns oder der Zurückweisung häufig sind. Die depressive Symptomatik kann die Motivation weiter verringern und zu einem Teufelskreis aus niedrigem Selbstwertgefühl und verminderter Leistung führen (Psychologe/Psychologin aufsuchen!).
Sich schnell gelangweilt und antriebslos fühlen
Personen mit ADHS neigen dazu, sich schnell zu langweilen, besonders bei Routinetätigkeiten oder Aufgaben, die als monoton empfunden werden. Die Suche nach ständig neuer Stimulation kann dazu führen, dass Betroffene ernste Schwierigkeiten haben, bei nur einer Aufgabe zu bleiben, was wiederum zu Unzufriedenheit und einem Gefühl der Unvollständigkeit führt. Diese Dynamik kann sich negativ auf berufliche und schulische Leistungen sowie auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken.
Mangelnde emotionale Abgrenzung von anderen Menschen
Menschen mit ADHS haben häufig Schwierigkeiten, sich emotional von anderen abzugrenzen. Sie können die Emotionen anderer stark aufnehmen – und sich dadurch überwältigt fühlen. Diese übermässige Empathie kann zu emotionaler Erschöpfung führen, da die Grenzen zwischen den eigenen Gefühlen und denen anderer verschwimmen. Die mangelnde Abgrenzung hat in sozialen Beziehungen viel Konfliktpotenzial. Zudem droht totaler Rückzug, wenn die Belastung zu lange anhält und damit zu gross wird («Freeze-Reaktion»).
Schlechte Wahrnehmung für eigene Gefühle und Bedürfnisse
Eine geringe Selbstwahrnehmung ist ein weiteres Merkmal, das bei ADHS häufig auftritt. Betroffene haben öfter Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle, Stimmungen und Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen. Auch das kann zu Problemen in der Selbstregulation und in zwischenmenschlichen Beziehungen führen. Ohne ein klares Verständnis ihrer emotionalen Erfahrungen, können Menschen mit ADHS effektive Strategien für den Umgang mit Stress/Konflikten im täglichen Leben weniger gut entwickeln.
Gefühle als «Knäuel» wahrnehmen, nicht differenzieren können
Menschen mit ADHS beschreiben ihre Gefühlswelt oft als ein verwirrendes Knäuel, in dem sich unterschiedliche Emotionen untrennbar vermischen. Das Nicht-Erkennen und Nicht-Benennen-Können spezifischer Gefühle kann zu Frustration führen und die Kommunikation beeinträchtigen. Es kann auch die Selbstreflexion und emotionale Verarbeitung erschweren, die für eine effektive Bewältigung von negativen Emotionen essenziell ist.
Unregelmässige Essenszeiten, Essen «vergessen»
ADHS kann auch Auswirkungen auf die Essgewohnheiten haben, wobei unregelmässige Essenszeiten und das Vergessen von Mahlzeiten keine Seltenheit sind. Die Schwierigkeit, Routinen einzuhalten oder sich von einer Fixierung zu lösen, kann zur Folge haben, dass Mahlzeiten übersprungen oder unregelmässig eingenommen werden. Dies kann den Stoffwechsel und das Energielevel beeinträchtigen. Die Unfähigkeit, Essenszeiten zu planen und einzuhalten, reflektiert eindrücklich die allgemeinen organisatorischen Herausforderungen, mit denen Menschen mit ADHS konfrontiert sind.
Dinge verlegen, vergessen
Das Verlegen und Vergessen von Gegenständen ist für Menschen mit ADHS «täglich Brot». Schlüssel, Geldbörsen, Handys, Pullover und andere wichtige Gegenstände werden häufig an ungewöhnlichen Orten abgelegt – und später nicht mehr gefunden. Dieses Phänomen spiegelt die Schwierigkeiten mit dem Kurzzeitgedächtnis wider, die bei ADHS typisch sind (dopaminbedingt). Die Konsequenzen reichen von geringfügigen Unannehmlichkeiten bis hin zu erheblichen Störungen des Tagesablaufs und finanziellen/emotionalen Verlusten, was zusätzlichen Stress und Frustration verursachen kann.
Häufiges Zuspätkommen
Für Menschen mit ADHS ist häufiges Zuspätkommen ein verbreitetes Problem, das durch Schwierigkeiten im Zeitmanagement und in der Zeitschätzung bedingt ist. Die Tendenz, Aufgaben bis zur letzten Minute aufzuschieben, die benötigte Zeit für die Fertigstellung von Aufgaben – oder die Anreise zu einem Ort – zu unterschätzen, führt oft zu diesen Verspätungen. Dieses Verhalten kann berufliche Beziehungen belasten und den Eindruck von Unzuverlässigkeit erwecken, auch wenn die Betroffenen ihre Verpflichtungen sonst ernst nehmen.
«Aufschieberitis»
Das Phänomen der «Aufschieberitis» oder Prokrastination ist bei Erwachsenen mit ADHS weit verbreitet. Statt Aufgaben zeitnah zu erledigen, neigen Betroffene dazu, diese aufzuschieben, oft in der Hoffnung auf einen Moment grösserer Motivation oder Klarheit, der jedoch selten eintritt. Dieses Verhalten provoziert häufig Stress, da Deadlines näherrücken und die zu bewältigenden Aufgaben sich anhäufen. Prokrastination bei ADHS ist nicht auf Faulheit zurückzuführen, sondern vielmehr auf eine Überforderung mit Entscheidungsprozessen (Exekutiv-Funktionen im Stirnhirn).
Vergessen von Terminen/ Verabredungen
Das Vergessen von Terminen und Verabredungen ist ein weiteres Merkmal, das bei Erwachsenen mit ADHS häufig vorkommt. Aufgrund der Schwierigkeiten mit dem Arbeitsgedächtnis und der Organisation, können wichtige Daten und Verpflichtungen aus dem Bewusstsein rutschen, selbst wenn sie von Bedeutung sind. Dieses Vergessen kann die Beziehungen zu Freunden, Familie und Kollegen beeinträchtigen – und zu Missverständnissen sowie zu einem Verlust von Vertrauen führen. Die Nutzung von digitalen Kalendern (Alarme!) kann sehr helfen, diese Herausforderung zu bewältigen.
Spontane, unüberlegte Impulskäufe
Spontane und unüberlegte Einkäufe kennzeichnen oft das Verhalten von Menschen mit ADHS. Ihre Impulsivität führt zu Kaufentscheidungen, ohne die finanziellen Konsequenzen zu bedenken oder den Kontostand zu überprüfen. Das kann finanzielle Instabilität und Stress verursachen, wenn die Ausgaben die finanziellen Mittel übersteigen. Die Herausforderung, Impulse zu kontrollieren und vorausschauend zu planen, spiegelt die übergeordneten Schwierigkeiten mit Selbstregulierung und Impulskontrolle wider (Exekutiv-Funktionen des Gehirns, «innerer Dirigent»).
Unordnung im Haushalt
Ein unordentlicher Haushalt ist ein weiteres häufiges Merkmal bei Personen mit ADHS. Die Schwierigkeiten, sich zu organisieren und bei Aufräum- oder Reinigungsaufgaben zu bleiben, bedeuten oft eine wachsende Ansammlung von Unordnung. Diese Unordnung kann zur Quelle von Stress werden und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Die Unfähigkeit, Ordnung zu halten, ist darauf zurückzuführen, dass diese Aufgaben als komplett reizlos gesehen werden. Neuro-Scans haben gezeigt, dass ganze Nerven-Verbünde im Hirn, die mit «Umsetzung» konnotiert sind, bei ADHS schlicht «nicht feuern». Es bleibt beim Wollen statt Machen (höhere Medikamentendosis ändert das temporär).
Wenige Freunde («Keine Zeit für Freunde»)
Menschen mit ADHS berichten oft, dass sie nur wenige Freunde haben, was teilweise auf die Herausforderung zurückzuführen ist, Zeit für soziale Interaktionen zu finden oder zu priorisieren. Die Kombination aus Zeitmanagementproblemen, impulsivem Verhalten und emotionalen Schwankungen kann ebenso die Pflege von Freundschaften erschweren. Zudem dürfte das Gefühl, von anderen oft missverstanden zu werden, den sozialen Rückzug begünstigen. Die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der sozialen Fähigkeiten (und zum besseren Zeitmanagement) kann helfen, diese Barrieren zu überwinden und befriedigende soziale Beziehungen aufzubauen.
Sammelwut und Stapelfreude
Einige Menschen mit ADHS neigen dazu, Gegenstände zu sammeln und sich nur schwer von ihnen zu trennen ("Hoarding"). Dies kann von der Faszination für bestimmte Objekte bis hin zu einem emotionalen Sicherheitsbedürfnis reichen. Die Ansammlung von Gegenständen zieht jedoch überfüllte Wohnräume nach sich – und steigert das eigene Stresslevel. Die Sammelwut reflektiert oft ein tief liegendes Bedürfnis nach mehr Komfort/Sicherheit – oder die kognitive Mühe damit, schnelle Entscheidungen über den Wert und die Bedeutung von Objekten zu treffen.
5 comments
Toller Beitrag , mein Sohn ( 30 Jahre) ist leider betroffen. Gibt es im Kanton Luzern Selbsthilfegruppen ?
Ich bin jetzt 74 Jahre und sehe mich in diesem Bericht, bin zwar nicht bösartig
Wie soll ich mich verhalten als nicht ADHS Person gegenüber ADHS Personen. Damit wir auf den gleiche Nenner kommen?
Ich erkenne mich sozusagen in allen Punkten wieder!
Aber, hier im Tessin gibt’s keine Hilfe! 😔😪
Wow, tolle “Zusammenfassung” über ADHS! Vielen Dank