ADHS-Kind hat ein Tantrum

Wie gehe ich mit ADHS-Wutanfällen am besten um?

Sie können Gefühle kompletter Überforderung in uns hervorrufen: Lange und intensive Wutanfälle unserer Kinder. Bei ADHS sind diese emotionalen Ausbrüche oft besonders ausgeprägt. Diese Dinge sollten Sie darüber wissen.

Das Gute ganz am Anfang: Grundsätzlich sind Wutanfälle für kleine Kinder ein völlig normales, ja gesundes Verhaltensmuster. Denn Kinder sind nun mal NICHT «kleine Erwachsene»  sondern sie müssen erst lernen, ihre Emotionen auszuhalten, zu bewerten und auf eine «sozialverträgliche Art» darauf zu reagieren. Das ist alles andere als selbstverständlich, zumal die Hemmung emotionaler Impulse im Stirnhirn initiiert wird, dessen Entwicklung bis ins Erwachsenenalter andauert.

In diesem Beitrag möchten wir tiefer in das Thema Wutanfälle im Zusammenhang mit ADHS eintauchen  und sowohl deren Ursachen als auch Bewältigungsstrategien betrachten.

Brennender, wütender Leopard

Warum treten Wutanfälle auf?

Wutanfälle sind in erster Linie emotionale Reaktionen und können bei Kindern aus verschiedenen Gründen auftreten:

  • Empfindungen von Angst, Wut oder Traurigkeit
  • Probleme beim Ausdrücken von Gedanken oder Emotionen
  • Nicht erfüllte körperliche Bedürfnisse, wie Hunger oder Erschöpfung
  • Fehlen von Alternativen im Umgang mit Emotionen
  • Vorverstärkung, wenn Betreuer in der Vergangenheit nachgegeben haben

Sind Wutanfälle ein Indikator für ADHS?

Wutanfälle können bei kleinen Kindern schon im Alter von 12 Monaten beginnen und ihren Höhepunkt erreichen, wenn das Kind zwischen 2 und 3 Jahre alt ist. Sie können auch bis zum 5. Lebensjahr andauern. Wutanfälle sind kein Indiz oder gar ein klarer Beleg für ADHS. Sie können aber bei ADHS durchaus häufiger vorkommen und heftiger ausfallen. Langeweile, Schwierigkeiten bei der Konzentration und die bei ADHS typische emotionale Überforderung reichen zum Beispiel oft aus, um ein solches «Tantrum» – wie Wutanfälle in der Fachsprache heissen – zu triggern.

Führen wir uns vor Augen, was uns selbst wütend machen kann: Dazu gehören sicher einmal nicht erreichte Ziele, obwohl man sich enorm bemüht hat. Auch mangelnde Wertschätzung, Ausgrenzung oder harte Kritik der Mitmenschen gehören zu den möglichen Gründen. Zudem werden wir manchmal scheinbar grundlos wütend, weil wir uns etwa dünnhäutig fühlen und jedwelche Reize von aussen als zu stark empfinden.

Unzufriedenes Kind

ADHS: Auslöser für Wutanfälle sind dauerpräsent

Kinder mit ADHS können aus denselben Gründen Wutanfälle haben wie andere Kinder. Es gibt jedoch spezifische ADHS-Symptome, die Wutanfälle wahrscheinlicher machen:

  • Hyperaktivität: Kinder mit ADHS finden es oft schwer, still zu sitzen oder Langeweile zu bewältigen. Ohne ein Ventil für ihre Energie können sie ungeduldig oder frustriert werden.
  • Impulsivität: ADHS-Betroffene sind beinahe immer «dünnhäutig», bedingt unter anderem durch das Dopamin-Ungleichgewicht in ihrem Gehirn. Ihre Kontrollprobleme können dazu führen, dass sie in der Schule Schwierigkeiten haben, besonders wenn sie von Lehrern oder Mitschülern missverstanden werden. Das wiederum kann Gefühle von Schuld oder Scham hervorrufen.
  • Unaufmerksamkeit: Probleme mit der Konzentration oder beim Einhalten von Deadlines können Stress oder Überforderung verursachen.
  • Medikamentennebenwirkungen: Stimulanzien, die häufig zur Behandlung von ADHS verwendet werden, können bei einigen Kindern Kopfschmerzen, Magenbeschwerden oder Schlafprobleme verursachen, was den Umgang mit ihren Emotionen erschwert.
  • Soziale Ausgrenzung: Kinder mit ADHS erleben überdurchschnittlich oft soziale Ausgrenzung und Kritik. Weil sie sich etwa zu aktiv oder forsch und plapperhaft zeigen – oder weil sie auf ihr Umfeld abwesend, teilnahmslos und gelangweilt wirken.
Nachdenkliches Kind

Unterscheiden sich normale von ADHS-bedingten Wutanfällen?

Obwohl Wutanfälle bei Kindern mit ADHS nicht notwendigerweise von denen anderer Kinder abweichen, können sie viel intensiver oder häufiger sein. Bestimmte Muster könnten darauf hinweisen, dass Wutanfälle nicht typisch für das Entwicklungsstadium Ihres Kindes sind (und ein ADHS als Mitursache in Frage kommt):

  • Wutanfälle, die mehr als fünfmal täglich auftreten
  • Häufige Wutanfälle bei Kindern über 5 Jahren
  • Wutanfälle, die über 15 Minuten andauern
  • Extreme Aggression, wie das Zerbrechen von Gegenständen oder physische Aggression gegen andere
  • Betreuende, die sich während eines Wutanfalls unsicher fühlen

In solchen Fällen ist es ratsam, einen Kinderarzt oder Psychologen zu konsultieren.

Teddy sitzt im Chaos

Strategien im Umgang mit Wutanfällen

Es ist extrem herausfordernd, auf einen Wutanfall angemessen zu reagieren. Hier sind einige Strategien, die helfen können:

  • Dem Kind ein vorbildliches Verhalten zeigen: Ein ruhiger und neutraler Tonfall ist wichtig
  • Regeln konsequent (!) wiederholen und anwenden
  • Auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen und für Sicherheit sorgen
  • Ablenkung bieten, z.B. durch einen Ortswechsel
  • Wutanfälle ignorieren, wenn sie offensichtlich manipulativ sind (Kind schreit etwa immer wieder, um vor dem Essen Süssigkeiten zu bekommen)
  • Auszeiten nutzen, aber nicht übermässig (sich also aus der Situation nehmen)

Es ist wichtig, das Kind nach einem Wutanfall nicht zu bestrafen. Körperliche Bestrafung kann das Problem gar verschlimmern, denn sie bringt dem Kind in erster Linie eines bei: «Gewalt ist ok, wenn es Konflikte gibt». Kinder tun bekanntlich nicht das, was wir ihnen sagen, sondern das, was auch wir tun. Sie lernen durch Imitation – und sie werden auch Gewalt früher oder später perfekt imitieren.

Vorbeugung von Wutanfällen

Obwohl es nicht immer möglich ist, Wutanfälle zu verhindern, können bestimmte Erziehungsansätze helfen:

  • Liebevoll-konsequente Erziehung (autoritativ): Ein ausgewogener Ansatz, der einerseits klare Grenzen setzt und Forderungen stellt, andererseits aber auch viel Zuwendung und Unterstützung bietet
  • Positive Verstärkung: Fokus auf die Stärken des Kindes und mehr positive Rückmeldungen auf erwünschtes Verhalten statt Bestrafungen für nicht erwünschtes Verhalten
  • Konsistenz: Klare Kommunikation von Regeln und Erwartungen (in die Augen schauen, am Arm fassen, ruhige aber feste Stimme)
Mutter tröstet Kind

Zusammenfassung

Wutanfälle sind ein normales Entwicklungsverhalten bei Kindern, können jedoch bei Kindern mit ADHS intensiver und häufiger auftreten. Es gibt verschiedene Gründe für diese Ausbrüche, einschliesslich ADHS-spezifischer Faktoren wie Hyperaktivität, Ungeduld und Impulsivität. Ein ausgewogener Erziehungsansatz, der klare Grenzen setzt, positive Verstärkung bietet und Konsistenz wahrt, kann helfen, diese Wutanfälle zu bewältigen und zu reduzieren. Bei anhaltenden oder extremen Wutanfällen sollte professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden.

Häufige Fragen (FAQ)

Sind Wutanfälle ein direktes Symptom von ADHS?

Wutanfälle können bei Kindern in bestimmten Entwicklungsstadien normal sein und bei Kindern mit ADHS gehäuft auftreten. Sie sind jedoch nicht direkt ein Symptom von ADHS. Während Wutanfälle also ein bekanntes und häufiges Verhalten bei kleinen Kindern sind, sind sie alleine genommen kein verlässlicher Indikator für das Vorliegen eines ADHS.

Welche Faktoren bei Kindern mit ADHS begünstigen Wutanfälle?

Kinder mit ADHS können aus verschiedenen Gründen Wutanfälle haben, ähnlich wie andere Kinder. Es gibt jedoch ADHS-spezifische Symptome, die Wutanfälle beeinflussen können, darunter Hyperaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit und Nebenwirkungen von Medikamenten.

Wie kann ich als Elternteil am besten auf die Wutanfälle meines Kindes reagieren?

Es gibt verschiedene Strategien, um auf Wutanfälle zu reagieren. Dazu gehören das Vorleben eines angemessenen Verhaltens, das ruhige und neutrale (aber entschlossene) Ansprechen des Kindes, das konsequente Anwenden von Regeln, das Kümmern um die Bedürfnisse des Kindes, das Ablenken des Kindes und das Ignorieren des Wutanfalls, wenn er dazu dient, das Verhalten des Erwachsenen zu manipulieren. Es ist wichtig, das Kind für einen Wutanfall nicht zu bestrafen – und besonders körperliche Bestrafung zu vermeiden.

Kind wirft Spielzeug rum

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