ADHS-Wissen
ADHS betrifft Millionen von Menschen weltweit – aber es herrscht immer noch viel Verwirrung rund um diese Form der Neurodivergenz (Andersartigkeit des Gehirns). Um Ihnen zu helfen, ADHS besser zu verstehen, haben wir dieses umfassende FAQ zusammengestellt.
Was ist ADHS?
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die durch Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist. Manche Menschen mit ADHS zeigen indes äusserlich weniger Unauffälligkeiten, während sie innerlich sehr angespannt und nervös sind (Subtyp der unaufmerksamen ADHS). Diese Menschen fallen vor allem durch ihre Abwesenheit und Tagträumerei auf.
ADHS betrifft Menschen jeden Alters, wird aber oft schon in der Kindheit festgestellt. Menschen mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren, sich zu konzentrieren und ihre Impulse zu kontrollieren, was sich negativ auf ihr tägliches Leben und ihre schulische Laufbahn auswirken kann.
Bei ADHS ist das Gleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) verändert. Insbesondere Dopamin und Noradrenalin spielen hier eine Rolle. Medikamente gegen ADHS können zur Regulation dieser aus der Balance geratenen Botenstoffe eingesetzt werden.
Gibt es verschiedene Arten von ADHS?
Ja. Das DSM-IV spezifiziert die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung in 3 Subtypen. Nämlich den Mischtyp (ADHS-C), den vorwiegend unaufmerksamen Typ (ADHS-I) sowie den vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typ (ADHS-H/I).
- Mischtyp (ADHS-C): Dies ist der häufigste Subtyp. Er umfasst sowohl Symptome der Unaufmerksamkeit als auch der Hyperaktivität-Impulsivität.
- Vorwiegend unaufmerksamer Subtyp (ADHS-I): Dieser Subtyp ist hauptsächlich durch Unaufmerksamkeit/Tagträumerei und Desorganisation gekennzeichnet.
- Vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Subtyp (ADHS-H/I): Personen mit diesem Subtyp zeigen vor allem Hyperaktivität und Impulsivität.
Was sind die Hauptsymptome von ADHS?
Die Symptome von ADHS werden in der Regel in drei Kategorien eingeteilt: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Vergesslichkeit, Schwierigkeiten bei der Organisation von Aufgaben, häufiges Tagträumen und Flüchtigkeitsfehler.
- Hyperaktivität: Ständiges Herumzappeln, übermässiges Reden, Schwierigkeiten, sitzen zu bleiben, immer auf dem Sprung sein.
- Impulsivität: Andere unterbrechen, ungeduldig sein, Entscheidungen treffen, ohne sie zu durchdenken, riskante Verhaltensweisen an den Tag legen. Scheinbar unbegründete, heftige Wutausbrüche.
Können Erwachsene ADHS haben?
Ja. ADHS verschwindet nicht mit dem Alter. Bei vielen Personen, bei denen ADHS als Kind diagnostiziert wurde, treten die Symptome auch im Erwachsenenalter noch auf. Ausserdem gibt es Erwachsene, bei denen in der Kindheit keine Diagnose gestellt wurde, die aber dennoch die Kriterien für eine ADHS-Diagnose erfüllen. Menschen mit nicht diagnostiziertem Erwachsenen-ADHS greifen möglicherweise zu stimulierenden Drogen wie Kokain oder Amphetaminen, um ihre Symptome in den Griff zu bekommen («Selbstmedikation»). Stimulierende Substanzen haben bei Menschen mit ADHS nämlich einen gegenteiligen Effekt: sie wirken beruhigend. Menschen mit nicht-diagnostizierter ADHS greifen aber auch oft zu Alkohol, um den Schwierigkeiten des Lebens zu entfliehen – oder in der Hoffnung, besser schlafen zu können, ruhig genug zu bleiben, sich zu konzentrieren und die Arbeit oder die Schule zu bewältigen.
Welche Ursachen hat ADHS?
Die wichtigste Ursache für ADHS ist die genetische Veranlagung. ADHS kann also „vererbt“ werden. Spannende Fakten zum Thema ADHS & Vererbung:
- Eineiige Zwillinge sind in ca. 60- 80% der Fälle beide von ADHS betroffen
- Zweieiige Zwillinge haben nur in ca. 35 % der Fälle gleichzeitig ADHS
- Angehörige ersten Grades (Vater, Mutter, Kinder) haben eine drei- bis fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit, ebenfalls an ADHS zu leiden
Neben den genetischen Faktoren spielen Umwelteinflüsse (also äussere Einflüsse) bei der Entstehung von ADHS eine Rolle:
- Frühgeburt
- Geburtskomplikationen
- Drogen- und Nikotinkonsum während der Schwangerschaft
Darüber hinaus können bestimmte andere Faktoren/Aspekte den Verlauf von ADHS negativ beeinflussen bzw. die Symptomatik verstärken:
- Erhöhter TV- und sonstiger Medienkonsum (Tablet, Smartphone)
- Leben in der Grossstadt ohne Freiraum, ohne Platz für Bewegung
- Auch der Erziehungsstil sowie die Eltern-Kind-Beziehung können für den ADHS-Verlauf von Bedeutung sein. Abwesende und oft gestresste Eltern sind dabei ein negativer Faktor (tägliches Rollenmodell).
Wie wird ADHS diagnostiziert?
Psychologen verwenden eine Kombination aus Interviews, Fragebögen und Beobachtungen, um Informationen über das Verhalten, die Symptome und die Funktionsweise der untersuchten Personen mit möglicher ADHS zu sammeln.
- In der Regel werden spezielle ADHS-Fragebögen als Basis der Diagnostik genutzt. Sie helfen den Patienten dabei, ihre Symptome besser einschätzen zu können.
- Körperliche Untersuchung (zum Ausschluss anderer Grunderkrankungen), z. B. Untersuchung der Schilddrüse, Erhebung der Blutwerte, EKG
- Gespräche mit Bezugspersonen: Arzt-Gespräch mit dem Partner sowie mit einer Bezugsperson aus der Kindheit (oft werden entsprechende Symptome selbst nicht mehr erinnert, aber andere können Besonderheiten noch gut beschreiben); auch ein Blick auf Grundschulzeugnisse ist oft hilfreich.
- Durchführung von speziellen Tests, Ermittlung der kognitiven Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeitsleistung
Im Rahmen der ADHS-Diagnostik ist es darüber hinaus wichtig, andere seelische Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder Suchterkrankungen als Ursache auszuschliessen. Mitunter kann ADHS auch mit einer weiteren seelischen Erkrankung einhergehen – häufig mit Depressionen. Für eine individuell passende Behandlung ist es unverzichtbar, dass alle ursächlichen Faktoren erkannt und in den Behandlungsplan miteinbezogen werden.
Kann man ADHS auch im Gehirn erkennen?
Moderne bildgebende Verfahren wie z. B. Kernspintomographie (MRT) und Computertomographie (CT) haben es möglich gemacht, die Gehirnstruktur und -funktion bei ADHS-Patienten zu untersuchen. Das Ergebnis: Bei ADHS sind vor allem Gehirnregionen betroffen, die für die Verhaltenssteuerung und die Aufmerksamkeit eine Rolle spielen.
In Bezug auf das Gehirn kann ADHS darum als eine Störung höherer Handlungsfunktionen (sog. Exekutivfunktionen) verstanden werden, die dann scheinbar selbstverständliche Aufgaben im Alltag verunmöglichen. Nicht immer – aber immer wieder. Es gelingt den Betroffenen also nicht, ihr Wissen und Wollen konsistent, d.h. möglichst immer, in die Tat umzusetzen. Obwohl das Wissen für die Erledigung der Aufgaben vorhanden ist, wird das Ziel seltener erreicht, als es vom Bildungs- und Motivationsstand der ADHS-Betroffenen zu erwarten wäre. In der Folge kommt es zu mangelnder Selbststeuerung und beeinträchtigter Aufmerksamkeit.
Wie wird ADHS behandelt?
Die Behandlung von ADHS umfasst in der Regel eine Kombination aus Medikamenten, Therapie und Änderungen der Lebensweise. Die häufigsten Medikamente, die bei ADHS verschrieben werden, sind Stimulanzien wie Methylphenidat und Amphetamin, die die Konzentration verbessern und die Hyperaktivität verringern. Es gibt auch nicht-stimulierende Medikamente wie Atomoxetin. Verhaltenstherapien wie die kognitive Verhaltenstherapie (Cognitive Behavioral Therapy, CBT) können den Betroffenen helfen, ADHS-Bewältigungsstrategien zu entwickeln und ihre allgemeine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Schliesslich können auch Änderungen des Lebensstils wie regelmässiger Sport, eine gesunde Ernährung und eine angemessene Schlafhygiene dazu beitragen, die ADHS-Symptome in den Griff zu bekommen (> natürliche Steigerung der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Hirn).
Kann ADHS geheilt werden?
Es gibt derzeit keine Heilung für ADHS, aber mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können die Betroffenen ihre Symptome wirksam in den Griff bekommen und ein erfülltes Leben führen. Frühzeitiges Eingreifen und kontinuierliche Unterstützung sind entscheidend für den Erfolg von Menschen mit ADHS.
Wie wirkt sich ADHS auf die schulischen Leistungen aus?
ADHS kann sich auf verschiedene Aspekte der schulischen Leistungen eines Schülers auswirken, darunter Aufmerksamkeit, Organisation, Zeitmanagement und Impulskontrolle. Schülern mit ADHS fällt es oft schwer, bei der Sache zu bleiben, Anweisungen zu befolgen und Aufgaben zu erledigen. Mit der richtigen Unterstützung und den richtigen Vorkehrungen, wie z. B. zusätzlicher Zeit für Tests, einer strukturierten Umgebung und individueller Hilfe, können Schüler mit ADHS jedoch in der Schule erfolgreich sein.
Was sind die häufigsten Missverständnisse über ADHS?
- Mythos: ADHS ist nur eine Ausrede für schlechtes Verhalten. Tatsache: ADHS ist eine echte neurologische Entwicklungsstörung mit biologischen und genetischen Wurzeln.
- Mythos: Menschen mit ADHS sind einfach nur faul. Tatsache: ADHS spiegelt nicht die Motivation oder den Einsatz einer Person wider. Stattdessen beeinträchtigt es die Fähigkeit zur Konzentration, konkreten Ausführung und Impulskontrolle.
- Mythos: Nur Kinder haben ADHS. Tatsache: ADHS betrifft Menschen jeden Alters, auch Erwachsene.
- Mythos: Medikamente sind die einzige Behandlungsmöglichkeit für ADHS. Tatsache: Medikamente können zwar hilfreich sein, aber ein umfassender Behandlungsplan sollte auch Therapie, Änderungen der Lebensweise und Unterstützung beinhalten.
Wie kann ich einen Angehörigen mit ADHS unterstützen?
Die Unterstützung eines geliebten Menschen mit ADHS kann das Leben dieses Menschen erheblich verändern. Hier sind einige Möglichkeiten, wie Sie helfen können:
- Informieren Sie sich über ADHS, um die Erfahrungen und Herausforderungen der Betroffenen besser zu verstehen.
- Seien Sie geduldig und mitfühlend und erkennen Sie an, dass ihre Schwierigkeiten nicht auf Faulheit oder mangelnde Anstrengung zurückzuführen sind.
- Ermutigen Sie zu einer offenen Kommunikation über ihre Probleme und Gefühle.
- Helfen Sie ihnen, Organisationsstrategien, Zeitpläne und Routinen zu entwickeln.
- Arbeiten Sie mit ihnen zusammen, um die richtige Unterstützung zu finden, z. B. in Form von Therapien oder schulischen Angeboten.
Kann jemand mit ADHS ein erfolgreiches Leben führen?
Auf jeden Fall! Viele Menschen mit ADHS führen ein erfolgreiches und erfülltes Leben. Der Schlüssel liegt darin, wirksame Strategien für den Umgang mit den Symptomen zu finden, die richtige Unterstützung zu suchen und auf die einzigartigen Stärken zu bauen (wie Hyperfokus, Kreativität, Offenheit, Flexibilität). Zu den bemerkenswerten Persönlichkeiten mit diagnostizierter ADHS gehören der Sänger und Schauspieler Justin Timberlake, die «Jahrhundertturnerin» Simone Biles und der Multimilliardär Sir Richard Branson, die alle in ihren jeweiligen Bereichen grosse Erfolge erzielt haben.
"ADHS...das ist wieder so eine Modesache. Heute hat ja jeder irgendwas"
Ok, das war nun keine Frage. Gehört haben wir das aber auch schon oft. Wir haben auch eine lustige Antwort für mutige Geister. Sie sollten gesund sein und keine Herzprobleme haben. Dann nehmen Sie zum Frühstück die Medikamenten-Dosis eines Menschen mit leichtem od. mittlerem ADHS. In den ersten 15-30 min, vor Wirkungseintritt, gut daran denken: Das ist die Substanz, die Menschen mit ADHS äusserlich ruhig und innerlich entspannt macht. Daran werden Sie wohl auch noch ungläubig denken, wenn Sie selbst um 1 Uhr nachts rumtigern und partout nicht schlafen können. Oder wenn Sie Ihr Herzklopfen etwas unangenehm finden. Und nicht vergessen: Menschen mit schwerem ADHS nehmen mehr als das Dreifache davon ein. Nun...wenigstens haben Sie etwas gelernt. Das gilt übrigens auch für meinen langjährigen Freund :)
Das Fazit: ADHS ist zweifellos eine Herausforderung für die Betroffenen und ihr Umfeld. Mit dem richtigen Wissen, der richtigen Behandlung und Unterstützung können Menschen mit ADHS ihre Hindernisse aber überwinden und ihr Glück bzw. ihren Erfolg finden. Dieses FAQ ist nur ein Anfang – suchen Sie weiter nach Informationen, Ressourcen und Anleitungen, um sich selbst oder andere Menschen mit ADHS besser zu verstehen und zu unterstützen.
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