Sind wir denn alle Narzissten oder was? (3/3) - ADHS Store

Sind wir denn alle Narzissten oder was? (3/3)

«Narzissmus» ist ein viel verwendeter Begriff heutzutage. Oder ein Geständnis, in der Zeit der überbordenden Influencer. Doch dahinter steckt mehr als nur Social-Media-Eskalation oder fieses Handeln. Was Bob Marley und Donald Trump auch noch damit zu tun haben, erfahren Sie in diesem Blog. 

7 uneheliche Kinder während der Ehe. Für 110'000 Menschen in Milano «Ich hab’ den Sheriff erschossen» singen. Hautkrebs am eigenen Zeh nicht behandeln lassen wollen. 

Man könnte den legendären Reggae-Musiker Bob Marley als etwas geltungssüchtig bezeichnen. Wohl auch als etwas selbstbezogen, ja egoistisch. Und gerade in Bezug auf seine eigene Zukunft als Vater und Musiker  auch als recht kurzsichtig. 

Eine Horde Fanatiker das Capitol stürmen lassen. Nonstop lügen, manipulieren, beleidigen. Diverse Frauen sexuell belästigen oder missbrauchen. Steuern hinterziehen und nach verlorener Wahl partout nicht die eigene Niederlage anerkennen. 

Auch der Ex-Präsident Donald Trump zeigt diese Züge. Zudem scheint er recht stolz darauf zu sein, international als Charakterschwein zu gelten. 

Donald Trump ist von diversen klinischen Psychologen klar das Etike Psychologen klar das Etikett «grandioser Narzissmus» aufgedrückt worden. Bob Marley gilt eher als Ikone des Reggae und Vereiniger von Jamaica. Was hat es also mit diesem viel beschworenen Narzissmus auf sich – und wodurch zeichnet er sich aus?

Bob Marley

Was ist ein «Narzisst»? 

Ein Narzisst ist eine Person, die ein allgegenwärtiges Muster von Verhaltensweisen und Einstellungen aufweist, das durch eine übermässige Fokussierung auf sich selbst, eigene Interessen und Wünsche gekennzeichnet ist, oft zum Nachteil anderer

Dieses Muster umfasst ein Spektrum narzisstischer Züge, darunter ein tiefes Bedürfnis nach Bewunderung, ein Gefühl des Anspruchs und ein bemerkenswerter Mangel an Empathie gegenüber anderen. Narzissmus manifestiert sich sowohl in offenen als auch in verdeckten Formen, wobei offene Narzissten ein grandioses, aufmerksamkeitsheischendes Verhalten an den Tag legen und ihr Gefühl der Überlegenheit und des Anspruchs überzeugend zum Ausdruck zu bringen. 

Verdeckte Narzissten hingegen können sehr introvertiert oder sensibel erscheinen und Gefühle von Groll und Unzulänglichkeit hegen, während sie sich genauso, auf subtilere Weise, nach Bewunderung und Bestätigung sehnen. Ein charakteristisches Merkmal des verdeckten Narzissmus ist die Opfermentalität, bei der sich das Individuum als häufig ungerecht behandelt oder mehr leidend als andere sieht – und diese Haltung als Methode nutzt, um Aufmerksamkeit und Mitgefühl zu erlangen. 

Gerade «sozial wünschenswerte» Züge wie Empathie werden von Mitmenschen vehement eingefordert. Denn vulnerabel narzisstische Menschen sind so dünnhäutig, dass sie beständig auf der Hut sind, sich durch narzisstische Verhaltensweisen in eine Situation zu manövrieren, in der ihre Schamgefühle durch Kritik und Ablehnung verstärkt werden könnten.   

Kritik, auch sachliche, wird von Narzissten beider Art stets als persönlicher Angriff verstanden und entsprechend geahndet. Etwa mit Wutausbrüchen oder Formen von passiv aggressivem Verhalten (z.B. toxische Kommunikation). 

Trotz ihres Unterschieds in der Ausdrucksweise zeigen beide Typen eine grundlegende Priorisierung ihres Selbstbildes und ihrer Bedürfnisse gegenüber anderen, was sich auf negative Weise auf ihre Beziehungen und Interaktionen auswirkt.

Donald Trump

Haben wir diese Züge denn nicht alle in uns? 

Narzissmus existiert in einem breiten Spektrum – das von gesunden, anpassungsfähigen Formen, die zum Selbstwertgefühl und Ehrgeiz eines Individuums beitragen, bis hin zu pathologischem Narzissmus reicht – der die zwischenmenschlichen Beziehungen und das persönliche Funktionieren erheblich beeinträchtigt. 

Gesunder Narzissmus ist ein normaler Aspekt der menschlichen Psychologie, der es dem Einzelnen ermöglicht, ein positives Selbstbild zu bewahren und seine Ziele mit Zuversicht zu verfolgen. Diese Form des Narzissmus zeichnet sich durch Selbstliebe und Selbstwertgefühl aus, die mit Empathie ausgeglichen werden. Gesunder Narzissmus ist auch das inhärente Bedürfnis nach Selbstausdruck, z.B. bei Malern, Tänzerinnen, Journalisten etc. 

Viele Menschen können also eine Reihe von narzisstischen Zügen in unterschiedlichem Masse aufweisen, ohne die vollständigen Kriterien für die Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPD) zu erfüllen. Oder sie leben diese Züge auch nur in einem bestimmten Kontext aus, z.B. privat, während sie sich im Beruf sehr kooperativ verhalten. Das Verständnis dieses Spektrums ist entscheidend, um die Vielfalt narzisstischer Verhaltensweisen und die Unterscheidung zwischen narzisstischen Zügen und einer diagnostizierbaren Störung zu erkennen. 

Am anderen und dunklen Ende des Spektrums wird pathologischer Narzissmus, einschliesslich der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPD), bei einem relativ kleinen Prozentsatz der Bevölkerung diagnostiziert. Schätzungen zufolge sind gemäss verschiedener Studien zwischen 0.5 % bis 5 % der Allgemeinbevölkerung betroffen. Die Kriterien für die Diagnose einer NPS sind streng und erfordern ein durchdringendes Muster von Grandiosität, dem Bedürfnis nach Bewunderung und einem offenkundigen Mangel an echter Empathie.

Narzisst

Offener, bzw. «grandioser» Narzissmus 

Grandiosität ist bei offenen Narzissten offen zur Schau gestellt und leicht erkennbar. Sie prahlen oft mit ihren Leistungen, übertreiben ihre Wichtigkeit und erwarten, als überlegen anerkannt zu werden, selbst wenn sie nicht die notwendigen Beweise erbringen, um dies zu untermauern. Ihr Anspruchsdenken und ihre Selbstherrlichkeit sind unübersehbar, und sie erniedrigen häufig andere, um ihre eigene Überlegenheit zu bestätigen. 

Das Bedürfnis nach Bewunderung ist bei offensichtlichen Narzissten besonders ausgeprägt. Sie sehnen sich nach Aufmerksamkeit und Komplimenten von anderen und können sichtlich verärgert oder verächtlich werden, wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht die Anerkennung erhalten, die sie verdienen. Dieses Bedürfnis steuert einen Grossteil ihres Sozialverhaltens und führt dazu, dass sie nach Machtpositionen oder öffentlicher Anerkennung streben, wo ihre vermeintliche Überlegenheit von anderen bestätigt werden kann. Overte Narzissten sind keine Seltenheit in Spitzenpositionen aller Art. Bindungen können sie sehr wohl eingehen und damit Mitstreiter gewinnen. Denn sie sind Meister der Manipulation. 

Mangelndes Einfühlungsvermögen ist bei grandiosen Narzissten deutlich zu erkennen. Sie zeigen kaum echte Anteilnahme an den Gefühlen oder Bedürfnissen anderer, ignorieren oft die Emotionen anderer oder nutzen sie für ihren persönlichen Vorteil aus. Ihre Interaktionen sind in erster Linie transaktional, nicht sozial, und zielen darauf ab, ihren eigenen Nutzen zu maximieren, ohne die Auswirkungen auf ihre Mitmenschen zu berücksichtigen.

Narzisstin

Verdeckter, bzw. «vulnerabler» Narzissmus 

Grandiosität bei verdeckten Narzissten hat weniger mit offener Prahlerei zu tun als vielmehr mit dem Gefühl, absoluten Anspruch auf eine bestimmte Behandlung zu haben. Sie können Fantasien über ihren eigenen Erfolg, ihre Attraktivität oder ihre Bedeutung hegen, aber es ist weniger wahrscheinlich, dass sie diese Gefühle offen äussern. Stattdessen kann sich ihre Grandiosität innerlich oder durch passiv-aggressives Verhalten manifestieren, indem sie ihre vermeintliche Überlegenheit andeuten, ohne sie direkt zu behaupten. 

Das Bedürfnis nach Bewunderung ist bei verdeckten Narzissten sehr subtil. Sie sehnen sich zwar ebenso nach Anerkennung und Bestätigung, suchen diese aber nicht mehr so offenkundig. Stattdessen können sie sich selbst herabsetzen oder sich als unverstandenes Genie darstellen, um Lob und Anerkennung von anderen zu erhalten. Sie blühen mit äusserer Bestätigung auf, sind aber auch oft sehr verärgert oder neidisch, wenn andere die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen ihrer Meinung nach zusteht.

Mangelndes Einfühlungsvermögen bei verdeckten Narzissten ist schwieriger zu erkennen. Sie mögen manchmal sensibel oder sogar einfühlsam erscheinen, aber diese Sorge um andere ist oft oberflächlich oder strategisch, um ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen oder die erhoffte Bewunderung zu finden. Ihre Empathie reicht in der Regel nicht aus, um die Bedürfnisse anderer wirklich zu verstehen oder zu unterstützen, vor allem wenn diese mit ihren eigenen Interessen kollidieren – oder das Eingestehen eigener Fehler erfordern.

Narzisst

Wie entsteht Narzissmus konkret?

Ungesunde narzisstische Züge entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischen, psychologischen und umweltbedingten Faktoren. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Kombination aus ererbten Persönlichkeitsmerkmalen und frühen Lebenserfahrungen, einschliesslich Erziehungsstilen und Familiendynamik, wesentlich zur Entwicklung von Narzissmus beiträgt. 

So können beispielsweise eine zu freizügige Erziehung (keine Grenzen), übermässiges Lob für minimale Leistungen sowie Vernachlässigung oder emotionaler Missbrauch zur Ausbildung narzisstischer Verhaltensweisen führen. Ein weiterer kritischer Faktor ist die «Mutterwunde», ein Begriff, der die Auswirkungen der eigenen unerfüllten Bedürfnisse, der emotionalen Unerreichbarkeit oder der narzisstischen Züge einer Mutter auf die psychologische Entwicklung ihres Kindes beschreibt.

Diese Wunde kann beim Kind zu tief sitzenden Gefühlen der Unzulänglichkeit und einem verzerrten Selbstbild führen, das narzisstische Züge als Kompensationsmechanismus fördert, um mit unbewältigtem emotionalem Schmerz – und dem Mangel an echtem Selbstwertgefühl – umzugehen.

Eismensch

Bei Narzissten entsteht gemäss Psychologen kein solider EGO-Kern. Sie holen sich dieses EGO darum notgedrungen im Aussen. Oft erwähnt wird dabei auch die Vielseitigkeit dieser Konstruktion. Je nach Mitmensch/Zielperson wird eine «passende Maske» verwendet, um gewisse Bedürfnisse leicht befriedigen zu können, weil man umgehend akzeptiert wird. 

Darüber hinaus können gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse, die den individuellen Erfolg, das Aussehen und die Bestätigung von aussen betonen (Instagram und TikTok!), narzisstische Tendenzen verstärken. Denn sie erheben diese in den Stand von Glücksgaranten. Gerade in der Zeit pubertärer Selbstfindung sollten Eltern deshalb nicht einfach auf Totalabstand gehen und ihre Teenager auf der ganzen Linie «machen lassen», sondern Werte vorleben und Verhalten einfordern, die über das «Posieren, posten und liken online» hinausgehen. 

Bei ADHS, das allzu oft mit angeknackstem Selbstvertrauen, weniger Gruppenzugehörigkeit und mehr täglicher Kritik einhergeht, kann die liebende elterliche Stütze dann zentral bis entscheidend für das Wohlergehen des Kindes sein. Pubertät wird in Fachkreisen unumwunden als eine Art "temporärer Wahnsinn" bezeichnet. Eine Periode grosser neuronaler Belastung und Veränderung. Das alleine ist eigentlich schon genug hart. Da braucht es kein zusätzliches Anziehen der Stellschrauben mehr. 

Zu Teil 1 der Serie über Narzissmus

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