Jäger mit Bogen steht auf einem Feld

Jäger in einer Welt von Bauern?: Die Hunter-Farmer-Hypothese zu ADHS

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung) ist eine weit verbreitete Verhaltensauffälligkeit bei Kindern als auch Erwachsenen (rund 5% der Bevölkerung).

Im Laufe der Jahre haben Forscher verschiedene Theorien entwickelt, um die Ursachen und den evolutionären Hintergrund von ADHS zu erklären. Eine solche Theorie ist die sogenannte "Hunter-Farmer-Hypothese", die vom amerikanischen Autor Thom Hartmann stammt. Er sieht ADHS als genetische Normvariante, die in eine komplett industrialisierte Welt der Organisatoren und Verwalter weniger gut reinpasst als in frühere Gesellschaften der Jäger und Sammler. Menschen mit ADHS seien quasi die Jäger-Überbleibsel aus dieser Zeit.

In diesem Blog werden wir uns fünf Eigenschaften von ADHS ansehen, die Hartmann zufolge für Jäger und Sammler von Vorteil gewesen sein könnten, aber in der heutigen landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft weniger nützlich sind. 

  1. Hyperfokussierung: Eine der häufigsten Eigenschaften von ADHS ist die Fähigkeit, sich intensiv auf eine bestimmte Aufgabe oder ein bestimmtes Interesse zu konzentrieren, oft auf Kosten anderer Aufgaben oder Verpflichtungen. Laut Hartmann wäre diese Hyperfokussierung in der Welt der Jäger und Sammler von grossem Nutzen gewesen, um sich auf die Verfolgung von Beute oder das Auffinden von essbaren Pflanzen zu konzentrieren. In einer landwirtschaftlichen Gesellschaft, in der Routine und Struktur von zentraler Bedeutung sind, kann diese Tendenz jedoch zu Schwierigkeiten bei der Erfüllung alltäglicher Pflichten führen. 

  2. Spontaneität und Kreativität: Viele Menschen mit ADHS sind auffallend spontan und kreativ und denken oft "über den Tellerrand hinaus". Hartmann argumentiert, dass diese Fähigkeit zur schnellen Anpassung an neue Situationen und zur Problemlösung in der Welt der Jäger und Sammler von Vorteil sein konnte, insbesondere in einer sich ständig verändernden (nomadischen) Umwelt. In einer sesshaften, landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft hingegen, in der Planung und Voraussicht wichtig sind, kann diese Spontaneität manchmal Schwierigkeiten bereiten und zu impulsivem Verhalten führen. 

  3. Hohe Energieniveaus: ADHS ist oft mit einer erhöhten Energie verbunden, sowohl körperlich als auch geistig. Hartmann stellt fest, dass diese Energie für Jäger und Sammler als Vorteil dienen konnte, um weite Strecken zurückzulegen, auf Beutejagd zu gehen oder Ressourcen zu sammeln. In der modernen Welt, insbesondere in strukturierten Umgebungen wie Schulen oder Büros, kann diese überschüssige Energie jedoch als Hyperaktivität wahrgenommen werden und zu Ablenkungen oder Konflikten führen. 

  4. Risikobereitschaft: Menschen mit ADHS neigen dazu, risikofreudiger zu sein als andere. Hartmann erklärt, dass in der Welt der Jäger und Sammler ein gewisses Mass an Risikobereitschaft notwendig war, um erfolgreich zu jagen, neue Gebiete zu erkunden oder in potenziell gefährlichen Situationen zu überleben. In einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft hingegen, in der Sicherheit und Stabilität oft höher geschätzt werden, kann diese Risikobereitschaft als unangepasst, unvorsichtig oder tollkühn angesehen werden - und möglicherweise zu unerwünschten Konsequenzen führen. 

  5. Rasche Anpassungsfähigkeit: Eine weitere typische Eigenschaft von ADHS, die Hartmann hervorhebt, ist die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen in der Umwelt oder auf neue Informationen zu reagieren. In der Welt der Jäger und Sammler hätte diese schnelle Reaktionsfähigkeit einen entscheidenden Überlebensvorteil bieten können, indem sie schnelle Entscheidungen bei der Jagd oder in gefährlichen Situationen ermöglichte. In einer landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft, in der langfristige Planung und vorausschauendes Denken geschätzt werden, kann diese schnelle Reaktionsfähigkeit jedoch als Ablenkbarkeit oder Impulsivität angesehen werden und zu Schwierigkeiten im sozialen oder beruflichen Umfeld führen.

Zusammenfassung: Die "Hunter-Farmer-Hypothese" von Thom Hartmann bietet einen interessanten Einblick in die möglichen evolutionären Ursprünge von ADHS und zeigt, wie bestimmte Verhaltensweisen und Eigenschaften in unterschiedlichen Kontexten nützlich oder problematisch sein können. Während diese Theorie sicherlich nicht alle Aspekte von ADHS erklärt, bietet sie eine Erinnerung daran, dass die Bewertung von Verhaltensweisen und Eigenschaften immer im Zusammenhang mit der jeweiligen Umwelt und Kultur erfolgen sollte.

Es ist wichtig, die Stärken und Schwächen von Menschen mit ADHS zu erkennen - und Möglichkeiten zu finden, ihre Fähigkeiten in der modernen Gesellschaft optimal zu nutzen. Indem wir unsere Perspektive auf ADHS erweitern und diese Eigenschaften als potenzielle Stärken anerkennen, können wir einen inklusiveren und anpassungsfähigeren Ansatz für die Bildung, die Arbeitswelt und das soziale Leben finden.

Falls Sie das nicht so wichtig finden, dürfen Sie Ihren PC nun gerne runterfahren und sich mit Linux oder MacOS anfreunden. Windows verdanken Sie nämlich Bill Gates. Einem Mann mit diagnostizierter ADHS.

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