ADHS und Impulsivität: Wenn die Gefühle wieder einmal überkochen - ADHS Store

ADHS und Impulsivität: Wenn die Gefühle wieder einmal überkochen

Zwischenrufe, Blitz­-Entscheidungen, Krokodilstränen – kommt dir das bekannt vor? Hier liest du, warum ADHS-Kinder impulsiv reagieren, welche Stärken darin stecken und wie dein Kind sie für sich nutzen kann.

Zwischenrufe, Blitz-­Entscheidungen, Krokodilstränen – kommt dir das bekannt vor? Hier liest du, warum ADHS-Kinder impulsiv reagieren, welche Stärken darin stecken und wie dein Kind sie für sich nutzen kann.

Impulsivität ist oft das lauteste Signal von ADHS bei Kindern. Ein Kind platzt ins Gespräch, springt vom Tisch, rast ohne Helm los. Von aussen sieht das nach Respektlosigkeit und «schlechter Erziehung» aus (dass Gras und Kinder nicht besser wachsen, wenn man daran zieht, ist ein anderes Thema. Tatsächlich sind die «besterzogenen» Kinder oft jene mit der besten BE-ziehung zu ihren Eltern).

Ente

Bei ADHS geht es um Neurobiologie. Erkenntnisse zur Blutzucker-Verwendung im Gehirn und genetische Forschung zeigen auch: Es geht um erbliche Eigenschaften. Deshalb können ADHS-Kinder bisweilen wirklich NICHT anders – und sollten dafür auch nicht verurteilt werden.

Tabelle Impulsivität

Beispiel: Mia aus Zürich, 8 Jahre alt, ADHS-H

Mia ruft im Unterricht Antworten heraus, rennt los, wenn die Pausenglocke läutet, vergisst ihre Jacke. Die Lehrerin vermutet Disziplin-­Probleme. In Wahrheit ist es ein Mädchen-ADHS. Bei ADHS Mädchen zeigt sich Impulsivität oft subtiler: abrupter Rückzug, impulsives On-/Off in Freundschaften, heftiges Weinen («Buben sind halt wild, Mädchen nicht» < Druck der Gesellschaft). ADHS wird ungleich häufiger bei Buben diagnostiziert, obwohl das Geschlechterverhältnis ja ca. 50:50 ist. Psychologen vermuten, dass eine hohe Dunkelziffer undiagnostizierter ADHS-Frauen darauf zurückgeht, dass sie sich gesellschaftlichem Anpassungsdruck gefügt haben («social masking»).

Mia mit ADHS

Ursachen hoher Impulsivität: Ein Blick ins ADHS-Gehirn

Der präfrontale Cortex ist die zentrale Bremsstation für Impulse aus den hinteren, alten Hirnregionen. Bildgebende Studien zeigen, dass er bei ADHS-Kindern durchschnittlich zwei bis drei Jahre später reift und etwas kleiner ist als bei Gleichaltrigen.

Eine randomisierte Zürcher Studie zeigte sogar, dass gezieltes Neuro­Feedback im ADHS-Gehirn die hohe Impulsivität verringern kann. Einmal mehr fragt sich zwar: Warum Dinge ändern, die nicht per se FALSCH sind? Der Grund: ADHS-Gehirne sind wohl nicht für eine Zeit gemacht, in der kaum Bedrohungen durch wilde Tiere herrschen und das Essen in den Supermärkten rumliegt.

Zentral für die ADHS-Impulsivität ist das anders gestrickte Belohnungssystem im Gehirn (Dopaminsystem): Der Botenstoff wird bei höheren oder anderen Reizen ausgeschüttet und kursiert zu wenig lange in den Synapsen zwischen den Nervenzellen. Deshalb sind ADHSler «ständig auf der Suche nach neuen Stimuli. Unter Spitzensportler finden sich übrigens signifikant mehr ADHSler – ein prominentes Beispiel ist etwa «die menschliche Robbe», der US-Spitzen-Schwimmer Michael Phelps.

Mona Lisa is pissed

Fünf SOS-Strategien bei Ausbrüchen

1. Stopp-Geste: Hand hoch, tief atmen – Pause signalisieren.

2. Aufmerksamkeit umlenken: Anti-Stress-Ball drücken, kaltes Wasser trinken.

3. Kurzkommandos: «Erst Schuhe aus, dann reden» – nicht mehr als acht Wörter.

4. Zeitfenster setzen: «In zwei Minuten bist du dran» – Sanduhr hilft.

5. Ruheplatz anbieten: Kissen-Ecke, Kopfhörer – Sensorik runterfahren.

Strukturen wirken wirkt Wunder

Klare, mit dem Kind erarbeitete und verstandene Strukturen können bei ADHS enorm hilfreich sein. Etwa:

Feste Abläufe: Frühstück 07 Uhr, Zähneputzen 07:15 Uhr.

Visuelle Checklisten: Piktogramme am Kühlschrank: Znüni, Hausaufgaben, Turnzeug.

Timer & Uhren: Lautloser Timer zeigt Restzeit – Diskussionen enden.

Selbstinstruktion: Kind sagt laut: «Ich warte, ich frage» – Bremse trainiert.

Lob schlägt Strafe: Jeder kontrollierte destruktive Impuls verdient ein High-Five oder Sticker.

Wir sollten uns als Erwachsene selbst fragen, was genau wir gut gemacht haben, bevor wir anfingen, den Uhren in unserer Umgebung die Kontrolle über unser Leben zu geben.

Surrealistisches Manndli

Impulsivität als grosses Plus nutzen

Impulsive Kinder denken nicht in Schubladen; sie springen direkt auf ungewöhnliche Ideen. Diese rohe Energie lässt sich kanalisieren – hin zu Kreativität, Mut und blitz­schnellem Problemlösen.

Ideen-Journal: Jede spontane Eingebung notieren. Einmal pro Woche einen Favoriten umsetzen: Stop-Motion-Film, neues Guetzli-Rezept, Lego-Roboter.

Action-Lernformate: Sportarten mit kurzer Reaktions­zeit (Bouldern, Parkour, Handball), Impro-Theater oder Coding-Challenges binden Energie an Regeln.

Traffic-Light-Training: Grün (freie Bahn), Gelb (kurz checken), Rot (Stopp). Klebepunkte im Kinderzimmer oder Ampel-Widget am Handy visualisieren es.

Problemlöse-Helden: Lass dein Kind den Menüplan retten, wenn eine Zutat fehlt, oder in zehn Minuten eine Lego-Brücke bauen, wenn die Murmelbahn stoppt.

Risikokompetenz: Statt «Nicht so wild!» lieber «Was ist der mutigste – aber sichere – Weg?»; Wagemut braucht Vorbereitung.

Fire Mage

Familien-Hackathon: Ein Samstag, ein Problem («Wie sparen wir Wasser?»), drei Brainstorming-Runden, ein Prototyp. Kinder führen Regie, Eltern moderieren.

Erfolg laut feiern: Jede umgesetzte Idee – egal ob sie klappt – bekommt Applaus. Erfolg ist das Ausprobieren.

So wird Impulsivität vom Dauerfeuer zum im Alltag nützlichen Funkenwerfer. Kinder erleben Selbstwirksamkeit, Eltern sehen, wie Chaos zu Kreativität wird – und die Familie gewinnt ein Feuerwerk an frischen Lösungen.

Impulsive Reaktionen sind kein Makel, sondern ein neurobiologisch erklärbares Muster. Eltern, die Ursachen kennen, schaffen Strukturen, erkennen Stärken und holen sich Hilfe, wenn nötig. So wird die Tendenz zur grossen Emotion zum Motor für Kreativität, Mut und Lebensfreude.

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