
Starke Väter: Warum es sie heute, morgen und übermorgen braucht
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Für Söhne wie Töchter ist der Vater Vorbild und Fels in der Brandung. Er bringt ihnen bei, was Mut, Respekt und Verantwortung bedeuten – jeden Tag, mit jeder Geste.
Ein guter Vater - ein starker Mann - steht nicht fest da, um zu dominieren. Er steht fest da, um präsent zu sein. In der Früh, wenn das Kind nicht aus dem Bett kommt. Am Abend, wenn es nicht zur Ruhe findet. Beim kaputten Fahrradreifen, beim Streit mit dem Bruder/der Schwester, beim ersten Liebeskummer. Die Kraft eines Vaters liegt nicht in der Lautstärke/dem Zwang, sondern in der Klarheit. In der Handlung - und in der Verfügbarkeit.

C.G. Jung, der Thurgauer Tiefenpsychologe, sprach davon, dass der Vater das "Gesetz" im Kind verankere. Nicht als "Muss". Sondern als Struktur, an der das Ich/Ego sich aufrichten kann. Der Vater steht für Ordnung. Für Grenze. Für Klarheit. Und: für das Tor zur Welt. Die Mutter verbindet das Kind demnach mehr mit dem Inneren. Der Vater mit dem Aussen.
Er fördert die Ablösung, die Reifung, den Aufbau einer starken Ich-Struktur. Besonders in der modernen Welt, wo viele Rituale fehlen, bleibt der Vater damit oft die wichtigste Instanz für Halt und Richtung. Er führt in neue Welten ein (Initiation), er begleitet bei den ersten Schritten - und deutet Widerstände als Chancen und Lerngebiete.
Das gilt für alle Kinder. Besonders aber für Kinder mit ADHS. Sie brauchen kein Mehr an Regeln, sondern ein Mehr an Beziehung. Sie brauchen keine Strenge, sondern Standfestigkeit. Keine Perfektion, sondern Präsenz.

1. Praktische Fähigkeiten
Ein Vater bringt seinem Kind bei, wie man einen Nagel einschlägt. Wie man Holz stapelt. Wie man ein Zelt aufbaut oder einen Reifen flickt. Das klingt banal. Ist es nicht. Kinder, gerade ADHS-Kinder, brauchen das Konkrete. Das Greifbare. Sie brauchen Aufgaben mit Anfang und Ende. Die Werkbank wird zum Ort des Selbstwirksamkeitserlebens.
Wenn Kinder mit ihrem Vater ein Regal bauen oder einen Setzling einpflanzen, geschieht mehr als nur motorisches Lernen. Kinder lernen dadurch, dass sie selbst gestalten können. Dass sie Teil eines Zusammenhangs sind. Dass ihre Hände wirken. Bei ADHS-Kindern, deren Aufmerksamkeit oft flattert, helfen diese physischen Marker, das Chaos im Kopf zu strukturieren.
Der Vater bietet den Rahmen, die Sache den Fokus. Genau dasselbe kann fürs Kochen, die neue Fremdsprache oder den Tanzunterricht/die Kampfsport-Lektionen gelten. Es gibt nicht die "typisch männlichen" od. "typisch weiblichen" Tätigkeiten. Was es aber wohl gibt: Die archetypisch männliche/weibliche Herangehensweise. Den Fokus auf Schutz/Verteidigung, Lösungen, Selbstüberwindung etwa.
Auch das Gefühl von "Ich bin gebraucht" entsteht durch starke Väter. Und das ist elementar. Denn gerade viele ADHS-Kinder erleben sehr oft Kritik, Ablehnung oder Korrektur. Die Praxis am eigenen Werk bringt den Gegenpol dazu: Vertrauen, Ausdauer, Erfolg.

2. Werte und Lebensweisheiten
Ein Kind beobachtet immer. Viel mehr, als es hört, wenn Regeln greifen und Anweisungen erteilt werden. Es sieht den Vater, der zur Arbeit geht, auch wenn er müde ist. Den Vater, der freundlich zur Kellnerin ist. Der nicht lügt, auch wenn da gerade bequemer wäre. All das prägt tiefer als jede Moralpredigt.
Kinder mit ADHS haben oft Schwierigkeiten mit ihrer Impulskontrolle. Umso wichtiger ist ein Vater, der Standfestigkeit lebt. Der zeigt: Verantwortung ist kein Wort, sondern eine Handlung. C.G. Jung sagte, dass das Unbewusste stets nach Ausgleich strebt. Kinder brauchen Väter, die diesen Ausgleich stiften. Durch gelebtes Beispiel, nicht durch Ermahnung.
Ein Vater, der sich entschuldigen kann, zeigt Grösse. Einer, der seinem Kind mit Respekt begegnet, pflanzt diesen Respekt tief ein. Gerade ADHS-Kinder, die oft als "schwierig" etikettiert werden, erfahren durch solche Väter: Ich bin wertvoll. Ich bin (mit-)gemeint. Ich werde nicht durch meine Diagnose definiert, sondern in meiner Entwicklung begleitet.

3. Alltagsfähigkeiten
Kochen, putzen, Budget – nichts davon ist weiblich. Alles davon ist wichtig. Wenn ein Vater mit seinem Kind einkauft, gemeinsam den Essensplan schreibt, die Wäsche macht, dann lernt das Kind: Das Leben ist Teamarbeit. Jeder trägt mit.
Gerade bei ADHS-Kindern braucht es klare Abläufe. Rituale. Aufgaben. Wenn Papa immer denselben Ablauf beim Zubettgehen hat, bringt das Ruhe. Wenn er dem Kind beim Taschengeld zeigt, wie man dieses klug einteilt, entsteht Struktur. Ein Kind, das seinen Alltag und dessen Regeln versteht, fühlt sich sicher.
Diese alltäglichen Erfahrungen helfen auch, das eigene Zeitgefühl zu entwickeln. Kinder mit ADHS leben stark im Moment. Väter, die ihre Zeit strukturieren, zeigen: Es gibt Vorher und Nachher. Es gibt Planung und Pause. Das sind keine leeren Konzepte, sondern gelebte Orientierungshilfen.
Und nicht zuletzt: Es ist ein tiefes Erlebnis für Kinder, wenn Papa auch mal das Essen kocht. Wenn er die Betten bezieht. Es sagt aus: Ich sorge für dich. Ich bin Teil deines Alltags. Ich bin da.

4. Soziale Fähigkeiten
Ein Vater greift ein, wenn zwei Kinder sich streiten. Nicht mit Schimpfen. Mit Fragen. Mit Vermittlung. So lernt das Kind: Konflikt ist normal. Lösung auch. Väter, die sich in Streitigkeiten einbringen, lehren Kommunikation. Nicht als Technik und Kniff. Sondern als Haltung.
Kinder mit ADHS fühlen oft sehr viel. Oder sehr schnell. Ein Vater, der das versteht, gibt Orientierung. Er benennt die Gefühle. Sagt vielleicht: „Du bist nicht falsch. Du bist überfordert. Wir regeln das gemeinsam.“ So entsteht Bindung. Und Ausdrucksfähigkeit für das, was innen passiert.
C.G. Jung betonte immer die Notwendigkeit, den eigenen "Schatten" zu integrieren. Also unbequeme, oft selbst verdrängte Anteile. In der Sprache des Alltags heisst das: Auch die Wut hat ihren Platz. Auch die Scham. Und die Angst. Ein Vater, der darüber spricht, öffnet dem Kind die Möglichkeit, sich selbst als ganz/integer zu erleben.
So wird der Vater zum emotionalen Mentor. Nicht als Korrektiv. Sondern als Spiegel. Als Resonanzboden für das Innenleben, das viele Kinder (noch) nicht alleine sortieren können.

5. Hobbys und Interessen
Ein Vater teilt seine Welt. Musik, Sport, Technik, Natur. Er nimmt das Kind mit. Lässt es staunen. versuchen, scheitern. Und nochmals beginnen. So entsteht Neugier. Und Zugehörigkeit. Ein Vater, der mit seiner Tochter das Fahrrad repariert, sagt ihr: Du kannst das ebenfalls. Du darfst das.
Bei ADHS-Kindern wirken gemeinsame Projekte Wunder. Weil sie Energie auf konstruktive Art aufbrauchen - und Resonanz für den "inneren Macher/die innere Macherin" bieten. Väter, die mit ihren Kindern rausgehen, alltägliche/repetitive Dinge tun, Neues wagen, helfen ihnen, ihre Kraft zu kanalisieren. Und sich in der Welt zuhause zu fühlen.
Es geht nicht um Perfektion. Es geht um geteilte Zeit. Ob beim Lego bauen oder beim Pilzesuchen im Wald. Der Vater, der nicht optimiert, sondern offen spielt, gibt dem Kind Raum, um sich selbst zu spüren.
Gerade für Kinder mit ADHS kann so eine lebendige Verbindung zwischen Innen und Aussen entstehen: "Ich bin nicht falsch. Ich bin anders - und ich wirke auf meine Art".
6. Persönliche Stärke
Kinder brauchen Väter, die nicht perfekt sind. Sondern ehrlich. Ein Vater, der Fehler zugibt, zeigt seinem Kind: Du musst nicht übermenschlich sein. Nur echt. Gerade für ADHS-Kinder ist das wichtig. Denn sie erleben oft Scheitern, Frust und Scham.
Ein Vater, der bleibt, auch wenn das Kind "schwierig" ist, vermittelt ihm: Du bist richtig. Auch - oder gerade wegen - deiner Kanten. Das stärkt das Selbst. Und die innere Sicherheit.
Ein solcher Vater baut also Brücken in die Welt. Und dadurch ebenso ins eigene Innere. Er trägt nicht, was das Kind selbst lernen muss. Aber er bleibt, wenn es strauchelt. Er gibt Halt, nicht Kontrolle. Richtung, nicht Zwang. Und vor allem: Anhaltende Liebe, die nicht von Leistung abhängt.
Fazit
Ein Vater zeigt nicht nur, wie man einen Nagel einschlägt. Er zeigt, wie man selbst gerade steht – und seine Werte nicht kompromittieren lässt. In der eigenen Psyche. Im Leben. In der Beziehung.
Für Kinder mit oder ohne ADHS ist der Vater niemals Beiwerk. Er ist Zentrum. Grenze. Kraft. Und Liebe.
Es ist Zeit, die Rolle der Väter neu zu denken. Nicht als zweite Mutter. Sondern als das, was sie sein können: Starke, klare Männer, die ihre Kinder ins Leben begleiten. Mit Herz, Hand und Haltung.