Was spornt uns an, was lässt uns stillstehen? In unserem Gehirn ist Dopamin die treibende Kraft hinter Motivation und Belohnung. Doch seine Wirkung reicht weit über den Kopf hinaus – bis tief in den Körper.
Als «Glückshormon» wird es häufig beschrieben. Und der Begriff «Doping» kommt auch davon. Die Rede ist von Dopamin – einem der wichtigsten Botenstoffe im menschlichen Körper. ADHS-Betroffene kennen vor allem seine Funktion im Belohnungssystem des Gehirns. Doch die Wirkung von Dopamin geht weit über diese Schaltzentrale des Verstandes hinaus. Es beeinflusst auch wichtige körperliche Prozesse – wie den Blutdruck, die Verdauung und den Schlaf-Wach-Rhythmus.
Ein ausgeglichener Dopaminspiegel ist daher entscheidend für unser geistiges und körperliches Wohl. Zu wenig oder zu viel Dopamin kann zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen, wie etwa bei Parkinson oder Depressionen. Oder es verändert unsere Fähigkeit zur gerichteten Aufmerksamkeit, Impulskontrolle sowie unsere innere wie äussere Ruhe.
Vorweg: Es gibt immer wieder Menschen, die in dieser Beziehung (Dopamin > essenziell) unbelehrbar sind. Sie können gerne diesen Film hier schauen: "Zeit des Erwachens" (1990). Wer es danach noch ist: Liegt NICHT am Dopamin... 🙂
Dopamin im Gehirn: Konzentration, Motivation, «Drive»
- Das Belohnungssystem: Dopamin ist zentral für das Belohnungssystem des Gehirns. Es wird freigesetzt, wenn wir etwas Angenehmes tun oder erwarten, wodurch Motivation und Vergnügen gesteuert werden. Ein erhöhter Dopaminspiegel verstärkt unser Verlangen, bestimmte Verhaltensweisen zu wiederholen. Allerdings geht Wiederholung auch mit immer weniger Dopamin einher. Wir kennen es: Der 4. Burger im Monat schmeckt nicht mehr. Liebespaare werden zu Alltags-Teams. Oder das dritte Glas Wein kommt niemals an den ersten Schluck heran.
- Bewegung und Kontrolle: Dopamin ist verantwortlich für die Steuerung unserer motorischen Fähigkeiten. In der nigrostriatalen Bahn reguliert es gezielte Bewegungen – und sorgt für gute Koordination. Ein Dopaminmangel in diesen Bereichen führt zu Bewegungsstörungen, wie bei Parkinson.
- Aufmerksamkeit und Konzentration: Dopamin unterstützt die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und bei einer Aufgabe zu bleiben. Besonders relevant ist dies bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), bei der ein Dopaminungleichgewicht zu Schwierigkeiten bei der Fokussierung führt. Medikamente wie Ritalin erhöhen den Dopaminspiegel, um die Konzentrationsfähigkeit des Stirnhirns zu verbessern.
- Lernen und Gedächtnis: Dopamin spielt eine Schlüsselrolle beim Speichern neuer Informationen und der Verstärkung von erlerntem Verhalten. Es verbindet positive Erfahrungen mit bestimmten Handlungen - und verstärkt diese durch die Freisetzung von Dopamin. Auch das Langzeitgedächtnis wird durch den Einfluss von Dopamin moduliert. Das oft unzuverlässige Kurzzeitgedächtnis bei ADHS ist eine direkte Folge des divergenten Dopamin-Gleichgewichts von ADHS-lern. Das haben Versuche mit Mäusen in Labyrinthen gezeigt.
Dopamin im Körper: Kreislauf, Stoffwechsel, Schlafrhythmus
- Regulation des Blutdrucks und der Herzfrequenz: Dopamin wirkt direkt auf das Kreislaufsystem, indem es die Blutgefässe erweitert und so den Blutdruck reguliert. Es erhöht die Herzfrequenz und die Kraft der Herzkontraktionen, was für die Durchblutung entscheidend ist (damit wirkt es auch auf die subjektive Empfindung von Wärme und Kälte). In Notfällen wird Dopamin als Medikament zur Stabilisierung des Blutdrucks eingesetzt.
- Verdauung und Stoffwechsel: Dopamin beeinflusst die Insulinfreisetzung in der Bauchspeicheldrüse – und reguliert so den Blutzuckerspiegel. Es spielt eine Rolle bei der Steuerung des Appetits und der Verdauung. Ein Ungleichgewicht im Dopaminspiegel kann zu Essstörungen und Stoffwechselproblemen führen.
- Schlaf und Wachheit: Dopamin ist an der Regulierung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Es fördert das Gefühl von Wachheit und Energie am Tag – und verhindert übermässige Müdigkeit. Ein gestörter Dopaminhaushalt kann Schlafstörungen wie Insomnie oder Tagesschläfrigkeit/Mattheit verursachen.
Dopamin und seine Rolle bei Krankheiten sowie bei ADHS
Der Neurotransmitter Dopamin ist auch an der Entstehung und Behandlung verschiedener neurologischer und psychischer Erkrankungen beteiligt. Ein bekanntes Beispiel ist Parkinson, eine neurodegenerative Erkrankung, die durch starken Dopaminmangel im Gehirn verursacht wird. Bei Parkinson-Patienten sterben die dopaminproduzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra ab –was zu Zittern, Muskelsteifheit und Bewegungsarmut führt. Die Behandlung erfolgt oft durch Medikamente, die den Dopaminspiegel künstlich anheben (L-Dopa).
Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) spielt Dopamin eine entscheidende Rolle. Menschen mit ADHS haben oft ein Ungleichgewicht im Dopaminsystem, was Konzentrationsschwierigkeiten und Impulsivität sowie Nervosität/Hyperaktivität zur Folge hat. Medikamente wie Methylphenidat (Ritalin, Medikinet, Concerta) oder Amphetamin (Elvanse) erhöhen den Dopaminspiegel – und verbessern so die Aufmerksamkeitsfähigkeit.
Depressionen können ebenfalls mit einem gestörten Dopaminhaushalt zusammenhängen (neben dem Mangel an Serotonin, einem anderen zentralen Botenstoff). Ein zu niedriger Dopaminspiegel führt zum Mangel an Motivation und Antrieb, was depressive Verstimmungen verstärkt (Frust und Stress nach zu wenig erledigter Arbeit etc.). In vielen Fällen zielen Antidepressiva darauf ab, das Gleichgewicht der Neurotransmitter – einschliesslich Dopamin – wiederherzustellen.
Ausserdem ist Schizophrenie mit einer Dysregulation des Dopaminsystems verbunden. Ein Überschuss an Dopamin in bestimmten Gehirnregionen wird mit den Symptomen dieser psychischen Störung, wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen, in Verbindung gebracht. Medikamente, welche die Dopaminaktivität dämpfen, können in der Therapie helfen, diese Symptome zu kontrollieren.
So beeinflussen Sie Dopamin ganz natürlich
- Ernährung: Lebensmittel, die reich an Tyrosin (Dopamin-Baustein) sind, wie Fisch, Eier, Nüsse und Käse, fördern die Dopaminproduktion. Antioxidantien-reiche Nahrungsmittel, wie Obst und Gemüse, schützen zudem die Nervenzellen und damit die Dopaminsynthese.
- Bewegung: Regelmässige körperliche Aktivität, besonders Ausdauersport, steigert den Dopaminspiegel im Gehirn. Sport fördert nicht nur die Freisetzung von Dopamin, sondern verbessert auch die allgemeine Stimmung und Konzentrationsfähigkeit. Er kann sogar Ritalin ersetzen. Doch das bedeutet dann meistens VIEL Sport (mehrmals täglich).
- Schlaf: Ausreichender und qualitativ hochwertiger Schlaf ist wichtig für die Regulierung des Dopaminspiegels. Schlafmangel kann die Dopaminproduktion senken, was zu Erschöpfung und schlechter Laune führt.
- Meditation und Achtsamkeit: Achtsamkeitsübungen und Meditation können den Dopaminspiegel erhöhen, indem sie Stress reduzieren und Entspannung fördern. Diese Techniken verbessern auch die Konzentration und helfen dabei, einen ausgeglichenen mentalen Zustand zu erhalten.
- Positive Gewohnheiten: Aktivitäten, die uns viel Freude bereiten – wie Hobbys, Musik oder soziale Interaktionen – steigern die natürliche Freisetzung von Dopamin. Kleine Erfolge oder das Erreichen von Zielen belohnen das Gehirn immer mit einem Dopaminanstieg – und fördern die Repetition positiver Verhaltensmuster (Hobby pflegen, Besuch wiederholen etc.).
PS: Nein, Dopamin ist per se eben kein "Glückshormon". Sonst würde Ritalin glücklich machen (und Alkohol sowie gewisse illegale Substanzen ebenso). Einen tollen Überblick bietet dieser TED-Talk. Und nochmals: "Zeit des Erwachens" schauen.