Kind spielt Gitarre

ADHS & Hobbys: Heilsames Gestalten der Freizeit

Hobbys können nicht nur Spass und Entspannung bieten – sie tragen auch zur Steigerung der Konzentration, zur Stressreduktion und zur Verbesserung der sozialen sowie motorischen Fähigkeiten bei.

Kinder mit ADHS sind oft voller Energie, Kreativität und Enthusiasmus – aber sie können auch Schwierigkeiten haben, sich auf Aufgaben zu konzentrieren, in der Schule still zu sitzen oder ihre Aktivitäten zu organisieren. Inmitten dieser Herausforderungen fällt Hobbys und Freizeitaktivitäten eine besonders wichtige Rolle zu. Sie bieten erstens eine willkommene Ablenkung zur Schule, können aber auch therapeutische Vorteile nach sich ziehen. Denn konsequent betriebene Hobbys, wie z.B. Kampfsport, fördern die Fähigkeit zum Fokussieren, bauen körperlichen Stress ab, trainieren die bei ADHS oft verzögert entwickelten motorischen Fähigkeiten – und zahlen sogar auf das Selbstvertrauen des Kindes ein.

Was sind die besonderen Herausforderungen bei ADHS?

In Bezug auf die Hyperaktivität können Menschen mit ADHS das Bedürfnis haben, ständig in Bewegung sein zu müssen. Sie fühlen sich unfähig, (länger) still zu sitzen oder fragen und reden übermässig viel. ADHS-Kinder sind oft in einem Mass aktiv, das Ruhephasen in der Gruppe verunmöglicht – oder sie haben beim Spiel mit anderen Kindern grosse Schwierigkeiten, so zu spielen, dass nicht in kürzester Zeit Gegenstände durch den Raum fliegen bzw. Tränen fliessen.

ADHS des unaufmerksamen Typs zeigt eine völlig andere Ausprägung: Diese „Träumerkinder“ verlieren in kürzester Zeit und immer wieder den Anschluss zur Gruppe, sie wirken „verloren“, gedanklich komplett versunken und machen Aktivitäten nur halbherzig mit, bevor sie sich wieder ausklinken. Auch unaufmerksame ADHS ist eine Form der Hyperaktivität, doch diese ist ins Innere verlagert. Den Status eines „ruhigen Kopfes“ kennen die Träumer-ADHS-Kinder sozusagen nicht. Ihre Gedanken und Gefühle rasen, sie grübeln ständig über vergangene und zukünftige Dinge oder Erwartungen Ihres Umfeldes nach. Deshalb die scheinbare Versunkenheit – die in Wahrheit innere Bewegtheit ist.

Natürlich wirken sich beide Formen von ADHS auch auf Hobbys aus, die ja häufig in einem sozialen Kontext stattfinden. Lernphasen und Instruktionen werden dann etwa durch Hyperaktivität gestört – oder die „Träumerkinder“ haben in entscheidenden Momenten nicht aufgepasst – und wissen nicht weiter, wenn die konkrete Umsetzung ansteht. Es geht also darum, die charakteristischen „Probleme“ bei ADHS – Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit – mit der Ausübung des Hobbys unter einen Hut zu bringen. Diese Eigenschaften lassen sich aber nicht „wegmachen“ oder durch mehr Druck verdrängen, sonst sind grosser Frust und frühzeitiger Abbruch des Hobbys quasi vorprogrammiert.

Wie können Hobbys die Symptome von ADHS mildern?

Hobbys und Freizeitaktivitäten spielen eine wichtige Rolle in den Leben von uns allen. Sie bieten uns die Möglichkeit, uns zu entspannen, neue Fähigkeiten zu erlernen, unsere Kreativität auszudrücken und sozialen Umgang mit anderen zu pflegen. Im Kontext von ADHS haben Hobbys jedoch noch eine tiefere Bedeutung.

Im Folgenden z.B. die Effekte von sportlichen Hobbys/Bewegungstraining auf ADHS:

Stressabbau: Sport jeder Art hilft nachweislich dabei, Stress abzubauen und überschüssige Energie konstruktiv einzusetzen. Er fördert, dank der Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin und Noradrenalin, auch die Fähigkeit zur Konzentration. Dopamin wie Noradrenalin sind die Botenstoffe, deren Pegel mit ADHS-Medikamenten künstlich gesteigert wird. Sport bewirkt also genau dasselbe – erfordert aber natürlich viel mehr Anstrengung. Leichte bis mittlere ADHS-Symptome dürften sich dank Sport mildern lassen. Sport bei ADHS-Kindern sollte aber nicht zum blossen Leistungsausweis werden, sondern auch noch Spass machen. Denn das Ausmass an Bewegung, das nötig wäre, um den ADHS-Symptomen komplett entgegen zu wirken, dürfte beträchtlich sein. Erwachsene Betroffene, darunter Leistungssportler, sprechen z.B. von intensiver, längerer Bewegung dreimal täglich (und können dafür auf Medikamente verzichten).

Fokustraining: Körperliche Aktivität spielt eine wichtige Rolle bei der Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration. Wenn wir uns bewegen, steigt die Durchblutung in unserem gesamten Körper, einschliesslich des Gehirns. Dies verbessert die Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Nährstoffen, was wiederum die geistige Leistungsfähigkeit steigert. Sport kann auch helfen, das sogenannte "exekutive Funktionieren" zu verbessern. Dies bezieht sich auf Fähigkeiten wie Planung, Organisation, Problemlösung und Arbeitsgedächtnis, die bei Menschen mit ADHS oft beeinträchtigt sind. Beim Sport, insbesondere bei Sportarten, die Strategie und Koordination erfordern, werden solche Fähigkeiten auf natürliche Weise trainiert und gestärkt.

Soziale Integration: Kinder mit ADHS werden oft sozial ausgegrenzt. Sie sind z.B. die „unmöglichen Wilden“, die als laut, destruktiv und störend wahrgenommen werden, von anderen Kindern ebenso wie von anderen Eltern („unmöglich. Einfach schlecht erzogen“). Oder, im Fall von ADHS des unaufmerksamen Typs, sind sie die „abwesenden Tagträumer“. Gruppenaktivität? „Ja, wäre toll, wenn er/sie auch wirklich mitmachen würde“. Ein Feedback, das wiederum von SchulfreundInnen wie Lehrern gleichermassen kommen kann. Findet sich indes eine Sportart, ob Leichtathletik oder Mannschaftssport, die das ADHS-Kind wirklich packt und begeistert, kann es zur Hochform aufblühen. Ist der ADHS-Hyperfokus im Einsatz, wird aus dem Wilden mitunter der begeisterte Stürmer und Torkönig – oder der „Träumer“ wird zum meisterlichen Bogenschützen. Letztlich führt das zu sozialer Integration in die Gruppe. Das Kind mag anders sein, doch es ist voll und ganz akzeptiert. Eine Wahrnehmung, die wiederum das oft angeknackste Selbstvertrauen dieser Kinder stärkt.

Mögliche Hobbys für Kinder mit ADHS

Sport: Sportarten wie Fussball, Basketball, Schwimmen oder Leichtathletik können ein hervorragendes Ventil für die überschüssige Energie von Kindern mit ADHS bieten. Sie helfen dabei, die körperliche Fitness zu verbessern, den Fokus zu trainieren, die Teamfähigkeit zu fördern und das Selbstwertgefühl zu steigern.

Kunst und Handwerk: Malen, Zeichnen, Basteln oder Töpfern können eine beruhigende Wirkung auf Kinder mit ADHS haben. Diese Aktivitäten erfordern Kreativität (eine der Stärken bei ADHS) und helfen Kindern, ihre Feinmotorik und ihren willentlichen Fokus zu üben.

Musik: Ob es darum geht, ein Instrument zu lernen, zu singen oder einfach nur Musik zu hören – Musik kann eine therapeutische Wirkung auf Kinder mit ADHS haben. Sie hilft, eine ruhige Form der Aufmerksamkeit zu fördern, die (oft verzögert entwickelte) Feinmotorik zu verbessern und aufgestaute Emotionen auszudrücken.

Naturaktivitäten: Aktivitäten im Freien – wie Wandern, Gartenarbeit oder Tierbeobachtung – beruhigen nachweislich das Nervensystem. Sie helfen ADHS-Kindern auch, ihre Achtsamkeit zu steigern und fördern nebenbei die Wertschätzung für die Natur.

Spiele/Brettpiele: Spiele können Kindern helfen, ihre Konzentration zu verbessern, während sie grossen Spass haben und soziale Fähigkeiten entwickeln. Besonders geeignet sind Spiele, die mehrere Sinne – wie den Tastsinn – ansprechen, z.B. Geschicklichkeits-Spiele, Bauspiele und Konstruktions-Sets.

Tipps zur Auswahl und Förderung von Hobbys bei ADHS

Die Auswahl des richtigen Hobbys kann einen erheblichen Einfluss auf die Erfahrung und den Nutzen für eine Person mit ADHS haben, zumal auch die Frustrations-Toleranz bei ADHS viel kleiner ist als bei neurotypischen Kindern (Impulsivität) Hier sind einige Tipps, die bei der Auswahl und Förderung von Hobbys helfen können:

  1. Interessen beobachten/abfragen: Bevor Sie ein Hobby auswählen, sollten Sie sich überlegen, was Ihr Kind wirklich interessiert. Beobachtung im sozialen Kontext und das gezielte Gespräch mit dem Kind und den Lehrpersonen sollte Vorrang vor den (allenfalls selbst nie umgesetzten) Interessen der Eltern haben.

  2. Realistische Ziele setzen: Pflegen Sie realistische Erwartungen und seien Sie geduldig. Menschen mit ADHS sind meist enorm leicht frustriert, wenn sich nicht sofort Erfolg einstellt. Feiern Sie kleine Fortschritte und ordnen Sie Rückschritte als wichtig und wertvoll für den Lernprozess ein.

  3. Routine etablieren: Eine regelmässige Routine kann sehr dazu beitragen, das Hobby aufrechtzuerhalten und mit Leidenschaft auszuüben. Versuchen Sie, feste Zeiten für das Hobby in den Tagesablauf zu integrieren, vor allem in der Anfangsphase.

  4. Unterstützung suchen: Besprechen Sie die Hobby-Auswahl mit einer Fachperson, wie etwa der Schulpsychologin/dem Schulpsychologen. Sie/er dürfte Bescheid wissen über die spezifischen Herausforderungen wie auch die möglichen Vorteile bei ADHS.

  5. Feedback einholen: Kindern ist es grundsätzlich enorm wichtig, Erwartungen von Eltern zu genügen.  ADHS-Kinder, deren Stressniveau permanent höher ist, kann dieser Punkt komplett überfordern. Versichern Sie Ihrem Kind, dass es in erster Linie um den Spass und das Lernen von etwas Neuem geht. Holen Sie sich regelmässig Rückmeldung, wie das Kind sein neues Hobby wahrnimmt. Erzählen Sie auch selbst von Ihren früheren Hobbys und dem Umgang mit Frust. Damit vermitteln Sie Ihrem Kind, dass es sich auf einen abenteuerlichen Weg begibt, auf dem es sich selbst (und andere) neu entdecken kann.

Zurück zum Blog

Hinterlasse einen Kommentar

Bitte beachte, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen.